Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
Hinausgehen ab, die beißende salzige Luft draußen war eine Wohltat.
»Schau mal, was ich gefunden habe.« Sie hielt ein paar lila Turnschuhe hoch, deren Schnürsenkel zusammengeknotet waren. Auf dem runden Zeichen an den Knöcheln stand CONVERSE ALL STAR. »Die werd ich nicht eintauschen. Die behalte ich für mich.«
»Kann ich verstehen.« Ich lächelte sie an. Der Stoff war wie durch ein Wunder unbeschädigt und im Vergleich zu den meisten Dingen, die ich gefunden hatte, in ausgezeichnetem Zustand. Califia funktionierte mit einem Tauschsystem, doch darüber hinaus leisteten wir alle auf unterschiedliche Art und Weise unseren Beitrag – indem wir plünderten, kochten, Gemüse anbauten, jagten und die einstürzenden Häuser und Ladenfronten reparierten. Ich arbeitete im Buchladen, kümmerte mich um beschädigte Romane und Lexika, verlieh überschüssige Exemplare und bot für alle, die Interesse hatten, Lesekurse an.
Auf Quinns Hals war ein winziger Schnitt. Als sie darüberrieb, hatte sie Blut an den Fingern. »Es tut mir wirklich leid«, sagte ich. »Maeve warnt mich ständig vor Streunern.« Maeve war eine der Gründermütter, so wurden die acht Frauen genannt, die sich als Erste im Marin County niedergelassen hatten. Sie hatte mich aufgenommen und ich durfte ein Zimmer mit ihrer siebzehnjährigen Tochter Lilac teilen. Während meiner ersten Tage in Califia waren Maeve und ich jeden Morgen auf Erkundungstour gegangen. Sie hatte mir gezeigt, wo es sicher war und wie ich mich zur Wehr setzen musste, falls ich einem Streuner begegnete.
»Ich hab schon Schlimmeres erlebt«, sagte Quinn mit einem leisen Lachen. Sie kletterte über den Bootsrand auf den Strand. Sie war kleiner als die meisten Frauen in Califia und hatte lockige schwarze Haare und in ihrem herzförmigen Gesicht war alles klein und zusammengedrängt. Sie lebte mit zwei anderen Frauen auf einem Hausboot in der Bucht von San Francisco. Die meiste Zeit waren sie in den dichten Wäldern rings um die Siedlung auf der Jagd und brachten Hirsche und Wildschweine mit zurück.
Als sie mir über den steinigen Strand half, musterten ihre dunklen Augen mein Gesicht. »Wie geht es dir?«
Ich sah den Wellen zu, die auf den Sand trafen, das Wasser weiß und unermüdlich. »Schon viel besser. Es wird jeden Tag leichter.« Ich versuchte, heiter und glücklich zu klingen, doch es stimmte nur zum Teil. Bei meiner Ankunft in Califia war Caleb bei mir gewesen, sein Bein war nach einem Zusammenstoß mit den Soldaten des Königs verletzt. Doch er hatte die Siedlung nicht betreten dürfen. Keine Männer – so lautete die oberste Regel. Caleb hatte es die ganze Zeit gewusst und mich trotzdem hergebracht – allerdings nicht, damit wir zusammen sein konnten, sondern weil er es für den einzig sicheren Ort für mich hielt. Seitdem wartete ich darauf, von ihm zu hören, doch er hatte mir keine Nachricht über den Pfad geschickt, dem geheimen Netzwerk von Flüchtigen und Rebellen. Auch den Wächterinnen am Tor hatte er nichts für mich hinterlassen.
»Du bist erst seit ein paar Monaten hier. Es dauert eine Weile, bis man vergisst.« Quinn legte mir die Hand auf die Schulter und führte mich ans Ende des Strandes, wo das Hinterrad ihres Fahrrads aus dem Strandgras herausragte.
In jenen ersten Wochen in Califia war ich ziemlich abwesend gewesen. Ich saß mit den Frauen beim Abendessen und schob weichen weißen Fisch auf dem Teller hin und her, hörte nur mit halbem Ohr auf die Gespräche um mich herum. Quinn war die Erste, die mich zum Sprechen gebracht hatte. Wir hatten lange Nachmittage in einem wiederaufgebauten Restaurant in der Nähe der Bay miteinander verbracht und das Bier getrunken, das die Frauen in Plastikeimern selbst brauten. Sie erzählte mir von ihrer Schule, wie sie geflohen war, indem sie durch ein zerbrochenes Fenster gekrochen war und am Tor auf die Versorgungslaster gelauert hatte, die die Wochenration brachten. Ich erzählte ihr von meiner monatelangen Flucht. Die anderen Frauen kannten meine Geschichte in groben Zügen – der Pfad hatte schon eine kodierte Nachricht mit Einzelheiten über die Morde in Sedona über Funk gesendet. Die Frauen wussten, dass der König hinter mir her war, und sie hatten den verletzten Jungen gesehen, dem ich über die Brücke geholfen hatte. Doch erst in der Stille des Restaurants erzählte ich Quinn alles über Caleb, Arden und Pip.
»Genau das macht mir ja Angst«, sagte ich. Die Vergangenheit begann zu verblassen,
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