Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
weil ich ihr vertraut hatte.
»Ich werfe sie nicht hinaus«, sagte Quinn. »Sag ihr das, Maeve. Sag ihr, dass wir das nicht tun werden.«
Ich konnte hören, wie Maeve auf und ab ging, der Boden unter ihren Füßen knarrte. Selbst in meinen dunkelsten Momenten, wenn ich darüber nachgrübelte, was Caleb zugestoßen sein könnte, wenn ich mich fragte, wie es Pip gehen mochte, oder Ruby, oder wenn ich über das Schicksal meiner anderen Freundinnen nachdachte, wäre mir nicht im Traum eingefallen, dass ich aus Califia verjagt werden könnte und dass man mich allein in die Wildnis zurückschicken würde.
Nach einer langen Pause atmete Maeve schließlich aus. »Wir werfen niemanden raus«, erklärte sie. Arden drückte meine Finger so fest, dass es wehtat. Im Dämmerlicht sah ihr Gesicht noch schmaler aus, ihre Wangen waren eingefallen und grau. »Außerdem wäre es dumm, wenn wir die Situation nicht zu unseren Gunsten nutzen würden. Wenn der König sie hier entdeckt, entdeckt er uns alle. Wir brauchen sie als Trumpfkarte bei den Verhandlungen.«
Mir schnürte es die Brust zu. »Wenn das dein Grund ist, sie hierbleiben zu lassen, von mir aus«, versuchte es Quinn noch einmal. »Doch er wird sie hier nicht aufspüren. Sie ist kein größeres Risiko als jede andere.«
»Ich hoffe, du behältst recht«, sagte Maeve. »Doch falls er sie findet, werden wir ihretwegen nicht zu Märtyrerinnen werden. Du bringst sie in den Bunker und bleibst dort, bis wir so weit sind, sie an die Soldaten auszuliefern. Es könnte unsere Chance sein, unsere Unabhängigkeit gegenüber dem Regime durchzusetzen.«
Mir wurde schlecht, wenn ich daran dachte, wie ich Maeve nach meiner Ankunft endlos gedankt hatte – wenn sie einen Teller Essen vor mich gestellt hatte, wenn sie Kleider für mich im Laden fand, wenn sie Regenwasser wärmte, damit ich baden konnte. Das versteht sich doch von selbst, hatte sie gesagt und abgewinkt. Wir freuen uns, dass du hier bist.
Es wurden noch einige geflüsterte Worte ausgetauscht, bevor Maeve das Wohnzimmer verließ, Isis und Quinn folgten ihr auf dem Fuß. Arden und ich krochen zurück und hielten uns im Dunkeln. »Sie werden sie hier nicht finden – sie haben keinerlei Anlass«, wiederholte Quinn ein letztes Mal.
»Es ist fast vier«, sagte Maeve und hielt die Hand hoch. »Es ist alles gesagt worden. Warum geht ihr zwei nicht nach Hause und schlaft ein bisschen?« Sie öffnete vorsichtig die Tür und teilte den dicken Efeuvorhang, der die Haustür verdeckte. Als sie davongingen, konnte ich hören, wie Isis von neuem zu diskutieren begann.
Maeve schloss ab und stieg die Treppe hinauf. Ich war wie erschlagen. Arden und ich huschten wie Mäuse an der Wand entlang, wir mussten so schnell wie möglich in unser Zimmer zurück. Als Maeve die oberste Stufe erreichte, plumpsten wir gerade ins Bett. Ich zog die Decke über uns, legte den Kopf aufs Kissen, schloss die Augen und tat, als schliefe ich.
Die Tür ging auf. Der Schein einer Laterne wärmte unsere Gesichter. Sie weiß, dass du gelauscht hast, dachte ich, meine Gedanken galoppierten vor mir her. Sie weiß Bescheid und jetzt wird sie dich in diesen Bunker sperren, bis sie dich an den König ausliefert.
Doch das Licht bewegte sich nicht. Sie rührte sich nicht. Ich fühlte bloß die schwere Hündin auf meinen Füßen, die den Kopf hob, vielleicht blinzelte sie Maeve genauso freundlich an wie mich.
»Was schaust du so?«, brummte Maeve schließlich. Dann schloss sie die Tür hinter sich, ging den Flur hinunter und überließ uns der Dunkelheit.
FÜNF
Der folgende Tag war schrecklich grell. Ich hatte mich an den grauen Himmel über San Francisco gewöhnt, den Nebel, der uns jeden Morgen einhüllte und über die Hügel hinaus aufs Meer trieb. Doch als Arden und ich Maeves Haus verließen, brannte die Sonne auf meiner Haut. Die Lichtreflexion der Bay blendete. Selbst die Vögel schienen zu fröhlich zu sein und zwitscherten auf den Bäumen vor sich hin.
»Denk dran – wir haben nichts gehört«, flüsterte ich. Doch Ardens Lippen waren zu einer dünnen Linie zusammengepresst. Sie hatte sich noch nie gut verstellen können. Damals in der Schule war sie in den Wochen vor ihrer Flucht in grauenhafter Stimmung gewesen. Sie hatte sich von uns anderen abgesondert, hatte am Waschbecken in der Ecke gestanden, wenn sie die Zähne putzte, und uns keines Blickes gewürdigt, wenn sie während der Mahlzeiten vornübergebeugt am Esstisch saß. Ich hatte den Verdacht
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