Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
Spiegelbild.
Ich stand in dem dusteren Korridor und lauschte auf meinen Atem, während ich versuchte herauszufinden, wann Bette mich mit dem Funkgerät gesehen haben konnte. Sie musste unsere Sachen durchsucht haben, um es zu finden. Wie lange hatte sie versucht, eine Nachricht zu senden? Was glaubte sie, wer kommen würde?
In weiter Ferne hörte ich durch die zerbrochenen Fenster eine leise Stimme etwas rufen, das ich nicht verstehen konnte. Ich rannte durch den Flur und hielt nicht an, bevor ich draußen war und das Gebäude umrundet hatte. Ich sprintete an dem Parkplatz voller halb verrosteter Autos vorbei, und als ich um die Ecke bog, sah ich sie schließlich. Sie war nicht mehr als eine schwarze Silhouette vor dem violetten Himmel. Wie wild winkte sie mit beiden Händen, zu ihren Füßen brannte ein armseliges Signalfeuer.
Ich brauchte einen Moment, bis ich erkannte, wo sie hinsah. Meine Hände wurden kalt. Über den Gebirgskamm, keine achthundert Meter entfernt, kam ein Motorrad auf uns zugefahren. Sein Scheinwerfer erschien wie ein winziger Nadelstich in der Dunkelheit.
ZWANZIG
Bette winkte weiter mit beiden Armen und sprang dabei auf und ab, um den Motorradfahrer auf sich aufmerksam zu machen. »Hier drüben!«, schrie sie. »Wir sind hier!«
Ich rannte so schnell ich konnte, warf mich auf sie und drückte ihre Arme runter, sodass sie sie nicht mehr bewegen konnte. »Ist dir eigentlich klar, was du da gerade getan hast?«
Das Mondlicht warf seltsame Schatten auf ihr Gesicht. »Ich habe getan, was du versäumt hast«, antwortete sie. »Sie braucht Hilfe. Ihr habt selbst gesagt, sie könnte sterben.«
Das Motorrad schoss die Serpentinen herunter und kam immer näher. Mit den Füßen schippte ich Erde über das Feuer, einen winzigen Haufen aus Zweigen und Gestrüpp, der mit einigen abgebrannten Streichhölzern gespickt war, die sie aus unseren Vorräten gestohlen haben musste. Ich packte sie am Arm und zerrte sie hinter mir her zum Motel zurück. Die Erinnerung brach mit aller Macht über mich herein und verdrängte jeden anderen Gedanken aus meinem Kopf. Mit einem Mal sah ich Marjorie und Otis auf dem Kellerboden vor mir, wie sie über ihrem Mann zusammengesunken war, ihr Zopf mit Blut vollgesogen. Mir war bewusst gewesen, was für ein Risiko es war, das Funkgerät mitzunehmen, schließlich wusste ich, was passieren konnte, in welche Gefahr es uns bringen konnte, wenn eines der Mädchen es benutzte. Ich hatte es ganz unten in der Tasche vergraben, wo nur Beatrice, Clara und ich es finden konnten.
Bette stemmte ihre Fersen in den Boden und zwang mich anzuhalten. »Ich hole ihr Hilfe«, wiederholte sie. »Irgendjemand muss doch einen Arzt für sie besorgen.«
»So funktioniert das aber nicht«, entgegnete ich. Sie versuchte, sich loszureißen, aber ich ließ nicht locker. »Wann hast du die Nachricht übermittelt? Was hast du gesagt?«
Das Scheinwerferlicht kam immer näher. Der Soldat war nur eine dunkle Gestalt, die sich vor dem Himmel abzeichnete. Sein Rücken war leicht gekrümmt und das Motorrad war mit Vorräten und Ausrüstung beladen. Ich hatte noch nie gesehen, dass ein Soldat alleine kam, aber ich hatte gehört, wie die Jungs in der Höhle darüber gesprochen hatten, dass die Überwachung manchmal aus alten Lagerhäusern oder von Checkpoints der Regierung aus organisiert wurde. Wenn er auf Erkundungstour geschickt worden war, bedeutete das, dass sich weitere Soldaten ganz in der Nähe befanden, keine siebzig Kilometer entfernt.
»Letzte Nacht«, antwortete sie. »Als ihr geschlafen habt. Ich hab ihnen gesagt, wo wir sind.«
Mit aller Kraft zerrte ich sie zum Motel zurück. »Du musst dich beeilen«, sagte ich, während ich zu der kleinen Anordnung von Gebäuden vor uns hinübersah. Es gab gerade mal drei Holzhäuser und ein verlassenes Geschäft. Die Parkplätze waren mit Autos übersät, deren Reifen längst von den Felgen gezogen worden waren. Der Soldat würde höchstens ein paar Minuten brauchen, um die Gebäude zu durchsuchen. Unser einziger Vorteil war, dass wir in der Überzahl waren und uns im Motel bereits auskannten.
Ich beschleunigte und rannte auf die Rückseite des Motels zu, Bette dicht hinter mir. Das Motorrad kam zu schnell näher. Ich hörte das grauenhafte Kreischen von Reifen auf dem Asphalt, gefolgt vom Klang der Bremsen. Wir hatten das Motel beinahe erreicht, als der Motor erstarb und die Welt draußen wieder still wurde.
Er brüllte keine Befehle, wie es die Soldaten
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