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Eve - Das brennende Leben

Eve - Das brennende Leben

Titel: Eve - Das brennende Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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schloss sie die Augen und schlug ihn gegen die Wand. Einmal, zweimal, dreimal. Dann ließ sie ihn fallen, rannte den Flur hinunter und stolperte durch die Tür aus seinem Haus und seinem Leben hinaus.
    Die orangefarbenen Lichter kämpften gegen die aufkommende Dunkelheit an.
    Weiter hinten und unter ihr lag das Mechanikerviertel. Kein Mensch war dort zu sehen. Ralea war froh darüber. Eine Tablette hatte sie bereits geschluckt und saß seit geraumer Zeit an ein Geländer gelehnt. Sie genoss die Zeit, die sie allein verbrachte, und dachte so wenig wie möglich über irgendetwas nach. Wenn sie anderen Menschen begegnete, würde ihre Stimmung umschlagen, das wusste sie. Das Mechanikerviertel, genau wie das Geschäftsviertel darüber, waren Wohngebiete. Dort wohnten
die Arbeitskräfte, die für die Geräte der Kapselpiloten zuständig waren. Die Einwohner reparierten Triebwerke, Rumpfhüllen und Module. Außerdem waren sie alle Jubeljahre einmal für einen Durchbruch in der Raumschifftechnologie verantwortlich, der alles veränderte … bis auf die Leben derjenigen, die ihn erfunden hatten.
    Nicht, dass sie machtlos gewesen wären. Ein Ingenieur, der sein Handwerk verstand und einen Platz im Mechanikerviertel zugewiesen bekam, war nahezu unantastbar. Aber sie wollten auch nicht viel. Im Gegensatz zu den Einwohnern des Geschäftsviertels ging es ihnen nicht um Profit. Soweit Ralea wusste, drehte sich ihr Leben einzig und allein um die Funktionsweisen der Maschinen, bis sie schließlich kaum noch von ihnen zu unterscheiden waren. Sie sah sich um. Hier war mit Abstand der sauberste Bereich der Station. Geschäftsleute konnten sich Schwärme von Putzdrohnen leisten, die die Straßen blitzsauber hielten – die Mechaniker erfanden einfach noch bessere Putzdrohnen, die den Schmutz auffraßen, oder winzige Ultraschall-Drohnen, die ihn zersetzten, oder bakterielle Wirkstoffe, die ihn auflösten … Es ging hier nicht um die Kunst, den anderen eine Nasenlänge voraus zu sein, sondern um die ständige Suche nach automatisierter Perfektion.
    Die Häuser fielen nicht gerade darunter. Sie waren schön konstruiert, niedrig und doch weitläufig. Die unregelmäßige Anzahl Fenster in den verschiedenen Wänden ließ ahnen, dass man in den Labors und Garagen dieser Domizile keine neugierigen Blicke duldete.
    Weit und breit gab es kein Holz und auch sonst keine Zugeständnisse an das Leben auf dem Planeten. Sogar die kleinen, bepflanzten Gärten waren so perfekt angelegt, dass sie nahezu leblos wirkten. Es gab viele merkwürdige Gerätschaften zu sehen. Sie dienten zum Putzen, der Gartenarbeit und weiteren, undefinierbaren Aufgaben. Lediglich Sicherheitsmechanismen
waren kaum zu sehen. Die Mechaniker, die genau wussten, wozu diese Systeme fähig waren, wussten ebenso gut, dass diese irgendwann kaputtgingen oder menschlichem Versagen zum Opfer fielen. Deshalb verließen sie sich lieber auf Schlichtes als auf Überladenes.
    Ralea, die sich an diesem friedvollen Ort jenseits von Verzweiflung und Verstand befand, sah sich die Türen der Häuser an. Dabei stellte sie sich vor, dass sie hineinsehen konnte. Drinnen befand sich außer weiteren Geräten nicht viel. Es gab höchstens noch einen Antrieb in menschlicher Form, der mechanische Geräte am Fließband konstruierte, bis der Antrieb schließlich zusammenbrach und starb.
    Dieser Ort war hübsch und ordentlich, nicht so böse wie der Handelsabschnitt. Das lag daran, dass das Böse die Menschheit als Nährboden benötigte. An diesem Ort gab es weder Leben noch Seele.
    Ein Surren erregte ihre Aufmerksamkeit. Auf der anderen Straßenseite war eine Überwachungsdrohne zu Boden gefallen und hatte offensichtlich Schwierigkeiten, wieder aufzusteigen. Sie hob kurz ab, ging dann wieder runter und surrte jedes Mal lauter. Bald würde das Ding völlig versagen und weggefegt werden.
    Ralea stand auf, klopfte sich die Kleidung ab und ging hinüber zu der Drohne. Sie lag regungslos auf dem Boden und knirschte leise. Vielleicht versuchte sie, ihre eigenen Schaltkreise abzuschalten, bevor jemand anders es tat.
    Sie hatte jemanden zerstört. Sie hatte ihm ein Ende bereitet. Sie war ausgebrochen.
    Sie hatte einen Mann getötet.
    Sie war verantwortlich für den Tod vieler tausend Menschen. Jeder einzelne lag ihr wie ein winziger Tropfen Gift auf dem Gewissen. Aber so war nun einmal die Tragweite ihrer Handlungen.

    Nicht mehr. Jetzt war sie eine Mörderin. Sie hatte ein Leben ausgelöscht, und die Konsequenzen

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