Eve - Das brennende Leben
sah zu ihr auf und lächelte. Die Musik veränderte sich; der Ton wurde tiefer. Ralea spürte, wie er an ihr zerrte. Sie beugte sich vor und berührte den Scanner noch einmal. Die Musik veränderte sich in Übereinstimmung mit ihrer Bewegung und kroch ihr bis in die Knochen.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie einige der Leute mit den Projektoren sich näherten. Ihr Kommen wurde von Neonvögeln, die durch die Luft flatterten, angekündigt. Die Vögel flogen durch einander hindurch, weil sie keine Substanz hatten. Ihre Formen änderten sich ständig – neue Polygone wurden während des Fluges hinzugefügt, andere verschwanden. Einige Vögel flatterten jetzt wie ein kleiner Taifun um Ralea herum. Die Musik des Theremax veränderte sich und wurde zu einem hohen Pfeifen. Das brachte die Vögel dazu, ihr etwas zuzuzwitschern. Instinktiv streckte Ralea die Hand aus und versuchte, sie zu berühren.
Von der anderen Seite her näherten sich die Rauchfigurenbläser und trugen ihren Teil zu dem Mischmasch bei. Mit ihren
Kehlenimplantaten erzeugten sie immer kompliziertere Farbschattierungen und Formen. Ralea war umfangen von einem Nebel. Für einen Moment sah dieser wie ein grünbelaubter Baum aus. Dann löste er sich auf. Die Vögel, die sich auf seinen Ästen niedergelassen hatten, flatterten erneut in die Luft. Die ganze Zeit spielte die Musik.
Eins der Gesichter in ihrer Nähe sagte: »Wir können dafür sorgen, dass es immer so weitergeht.« Sie lächelte und nickte. Eine Hand streckte sich aus, öffnete sich und machte eine auffordernde Bewegung. Sie legte ihre Karte hinein. Jetzt hatte sie nichts mehr, war endlich leer und wartete darauf, mit Fröhlichkeit erfüllt zu werden.
Eine Stimme drang durch den Nebel.
Ralea schwebte bis ins Licht und dann wieder zurück in die Dunkelheit.
Jemand trat sie. Es tat weh.
Sie schwebte erneut nach oben.
Etwas wurde unter ihre Nase gehalten. Sie wachte schlagartig auf, schnellte mit weit aufgerissenen Augen in eine aufrechte Haltung und schnappte nach Luft. Dann schluckte sie schwer und stieß einen kleinen Schrei aus. Doch der Klang wurde erstickt, weil jemand sie fest umschlungen hielt. Sie konnte nicht sehen, wer, aber sie konnte es riechen und vertraute ihrem Geruchssinn. Eine Stimme sagte: »Ist ja gut. Du bist in Ordnung. Alles wird gut.«
Ihre Lippen waren zu aufgesprungen und taub, um vernünftige Worte zu formen, aber sie schaffte es, ein kehliges »Heci« hervorzubringen.
»Du Idiotin«, sagte ihre Freundin, streichelte ihr Haar und hielt sie immer noch fest.
Sie versuchte, noch etwas zu sagen, aber das war vollkommen unverständlich. Heci lockerte ihre Umarmung und hielt
Ralea eine Flasche Wasser an die Lippen. »Trink langsam«, mahnte sie und schüttete ein wenig in Raleas Mund. »Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass du Wasser getrunken hast.«
Nachdem sie ein paar Schlucke genommen hatte, konnte Ralea ein wenig sprechen. »Ich auch nicht«, flüsterte sie. Sie sah sich um. Sie befanden sich auf einer leeren Straße irgendwo auf der Station. Um sie herum standen nur leere, baufällige Hütten. Sie hatte keine Ahnung, wie sie hierhergekommen war. Im Grunde wusste sie überhaupt nicht mehr viel.
Ralea sah an sich herunter. Sie trug nicht ihre eigene Kleidung. Zum Teil bestand diese aus schmutzigen Lumpen, die sie noch nie gesehen hatte, zum Teil aus Stoff, der so aussah, als hätte man ihn ihr einfach umgelegt. »Ist das Kotze da auf mir?«, fragte sie Heci.
Ihre Freundin betrachtete ihre Bluse. »Ja, möglicherweise.«
Ralea zeigte auf etwas, das sich auf dem Stoff über ihren Beinen befand. »Und was sind das für Flecken?«
Heci verzog das Gesicht. »Frag nicht.« Sie seufzte. »Süße, ich hab für uns beide Urlaub genommen. Wir werden auf der Stelle hier verschwinden.« Sie grinste und fügte beinahe liebevoll hinzu: »Du selbstzerstörerischer Dummkopf.«
Ralea nickte. Mit zitternder Hand wühlte sie in ihrer Tasche herum, aber die Tabletten waren längst verschwunden.
»Ich …«, fing sie an, aber sie beendete den Satz nicht und schüttelte nur den Kopf.
»Egal, worum es geht, mit dir ist jetzt alles in Ordnung, Süße. Wir werden das hier hinter uns und dich wieder auf den richtigen Weg bringen«, sagte Heci mit gespielter Freude.
Langsam drehte Ralea den Kopf herum und schaute ihrer Freundin direkt in die Augen und durch ihre Augen hindurch in eine Dunkelheit dahinter. Sie sagte: »Ich habe einen Mann getötet. Ich habe einen Mann getötet
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