Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
bis er dich erledigt hat, und dann fliehen sie gemeinsam?“
Ich versuche, klare Gedanken zu fassen. Osthof ist nicht der Typ, der einfach abhaut. Sein Institut ist ihm wichtig. Er ist angesehen, wohlhabend. Er wird versuchen dafür zu sorgen, dass nichts rauskommt. „Kann ich mir nicht vorstellen“, antworte ich.
„Ich auch nicht“, erwidert Vesna. „Aber was will sie dann da? Will sie Rache? Etwa Mann auf frischer Tat ertappen und dann fort?“
„So hat sie heute Vormittag nicht gewirkt“, überlege ich. Was bedeutet das? Was bedeutet es für unseren Plan?
„Soll ich kommen und auf dich aufpassen oder soll ich an ihr dranbleiben?“, fragt Vesna.
Ich brauche Vesna. Mit ihr fühle ich mich sicher. Aber das mit Claudia Osthof ist irritierend. Ich atme kräftig durch. „Bleib dran. Hier sind genug Leute, um mich zu schützen.“
Ich höre, wie die Tür aufgeht. Mir steigt eine Welle Blut ins Gesicht. Ich stopfe das Mobiltelefon in die Tasche und drehe mich langsam um.
Christian Osthof steht im Raum und starrt mich an. Ich stehe langsam auf. Schabendes Geräusch des Plastiksessels am Plastikboden, der Parkett vorgeben soll. Hat er meine letzten Sätze gehört? Weiß er jetzt, dass ich beschützt werde? Ich hoffe, ich werde beschützt.
„Sie planen eine Lügenstory über mich. Sie wollen mich fertigmachen“, sagt er ohne jede Einleitung. „Tobler hat mich gewarnt.“
Ich sehe ihn so fest wie möglich an. Im Auge des Taifuns ist es immer ganz ruhig, denk dran, Mira. Und tatsächlich klingt meine Stimme gelassen. „Sie machen sich ganz allein fertig. Ich tu nur, was meine Aufgabe ist: Ich informiere die Öffentlichkeit.“
„Was soll das für eine DVD sein, die Sie da haben?“
Ich versuche ein Lächeln. „Tun Sie nicht so. Sie kennen die DVDs. Wenn das, was darauf zu sehen ist, an die Öffentlichkeit kommt, ist es mit Ihrer Karriere vorbei.“
„Ich weiß nicht, wovon Sie reden“, probiert er es noch einmal.
„Ich rede von den DVDs, die zeigen, wie Sie Ihre Frau krankenhausreif schlagen. Die DVDs, die hier bei Evelyn waren. Die Sie von ihr wollten.“ Ich kann nur hoffen, dass das Mikro, das Vesna in der Lampe montiert hat, funktioniert, dass alles aufgezeichnet wird. „Und wegen denen sie sterben musste.“
Der Wirtschaftsmeinungsforscher starrt mich an. „Sie sind verrückt. Ich war noch nie hier. Ich habe es Ihnen gesagt. Wie sind Sie an die DVD gekommen?“
Ich lächle. „Sie waren hier, bei Evelyn. Die ganze Zeit über. Sie haben sich offenbar nicht getraut, die DVDs zu holen. Das heißt: Einmal haben Sie es probiert. Und mir eins über den Kopf gezogen. Hätte ich auch sterben sollen? Sie hätten es in Kauf genommen, nicht wahr?“
„Das ist doch alles lächerlich“, faucht er und kommt einen Schritt näher.
Keine Angst, Mira, ganz ruhig durchatmen. Du wirst bewacht. Wir wollen ja, dass er mich angreift. In diesem Raum ist kein Eisenofen. „Ach, und die DVDs sind auch lächerlich? Es gibt Menschen, die werden das anders sehen.“
„Ich Idiot wollte unsere Ehe retten. Ich wollte ihr klarmachen, warum unsere Streitigkeiten manchmal eskalieren: Weil sie mich herausfordert, bis ich nicht mehr kann. Ich war es, der die DVD aufgenommen hat. Sie hat nichts davon gemerkt. Meine Frau … sie hat mich aufs Äußerste provoziert, immer wieder, immer mehr. Sie hat es darauf angelegt, mich zu vernichten. Das weiß ich inzwischen. Ich habe ihr die DVD vorgespielt. Sie hat es nicht kapiert. Hat selbst dann nicht eingesehen, dass sie Schuld hat. Dass sie es herausfordert, es immer wieder so weit treibt, bis ich mich wehren muss, damit ich nicht untergehe. Sie muss die DVD genommen und bei dieser Evelyn versteckt haben.“
Ich versuche ihn möglichst neutral anzusehen. Das Gespräch entwickelt sich irgendwie ganz anders, als wir es uns gedacht haben. Er ist dabei, mich auszutricksen. Das spielt es nicht, Herr Professor. Prügelprofessor. Zu behaupten, dass sie ihn provoziert habe … „Und warum sind Sie dann zu Evelyn? Warum haben Sie sie gegen den Ofen gestoßen und …“
Jetzt brüllt er. Ich ducke mich unwillkürlich. „Können Sie auch nicht zuhören? Ich bin nicht da gewesen! Nie! Natürlich wäre die DVD für Evelyn die perfekte Rache gewesen. Für damals. Aber die wollte sie sich offenbar für später aufheben. Ich habe nicht gewusst, dass die DVD bei ihr war!“
Seltsam. Er redet immer von „der DVD“. Hat er verdrängt, dass er mehrere aufgenommen hat? „Wer hat die
Weitere Kostenlose Bücher