Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
dann kann sie doch wenigstens gehen. Oder glaubt sie tatsächlich, er ändert sich? Ich könnte keinen Tag, keine Stunde bei einem bleiben, der mich prügelt. – Mira, du warst zum Glück nie in einer vergleichbaren Situation. Vielleicht sieht man sich selbst irgendwann nur noch als Schatten, schwarz-weiß, wie auf den Bildern der Kamera. Was bleibt, sind reale Verletzungen und die Hoffnung, dass es besser wird. Nein. Ich würde gehen. – Hat keiner der Nachbarn etwas bemerkt? Die Villa ist von einem Garten umgeben. Drum herum eine dichte Hecke. Und wer würde annehmen, dass so einer wie Osthof gewalttätig ist? Es geht ihnen doch gut. Geht ihnen gut. Was soll das heißen?
Ich höre ein lautes Knattern, renne auf die Terrasse, schaue hinunter. In der Gasse steht Vesna. Mit ihrem Gefährt. Sie ist einfach verrückt. Vielleicht das Beste, um dem Alltag zu entgehen. Vesna trainiert für den Marathon und fährt auf einem nicht zugelassenen Motorrad durch die Wiener Innenstadt. Bin ich zu vernünftig? Hat mir noch keiner gesagt. Und dass ich mich noch nicht so fühle, als wäre ich in fünfundzwanzig Jahren zweiundsiebzig, zeigt auch, dass ich okay bin. Vesna läutet an der Gegensprechanlage, ich öffne. Wie kriegen wir Osthof? Er wollte, dass Tobler mich ruhig stellt. Wegen der alten Sache mit dem vertuschten Selbstmord. Jetzt weiß ich, dass es noch ganz andere Dinge gibt, die ihn ruinieren könnten. Ich gehe ins Vorzimmer, öffne Vesna.
„Tobler sagt, er kann mir vielleicht Zulassung für meine Maschine besorgen“, strahlt Vesna und sieht mich an. „Musst du nicht sauer sein, dass ich einfach so gefahren bin. Strafe kann ich schon zahlen. – Oder ist etwas anderes? Warum sollte ich so schnell herkommen?“
Ich erzähle Vesna, was ich gesehen habe. Ob sie sich die DVDs anschauen wolle? Ich weiß, dass ich sie jedenfalls kein zweites Mal durchstehe. Vesna schüttelt den Kopf. Später vielleicht einmal, wenn es sein muss.
Dass Roger genau bei Osthof eine Alarmanlage samt Videoüberwachung eingebaut haben soll … Vesna überlegt. „Passt eigentlich gut zusammen. Ich habe nämlich auch Neuigkeiten. Hans Tobler hat mit Roger geredet. Keine Ahnung, wie er es aus Roger hat herausgebracht, aber: Es stimmt. Roger war am Todestag in Lissenberg. Aber als er gekommen ist, war Mutter schon tot, er schwört.“
„Von Osthof hat er nichts gesagt?“
„Nein, jedenfalls nicht zu Tobler. Und auch nichts von DVDs.“
„Vielleicht hofft er Osthof erpressen zu können“, überlege ich.
„Kann sein. Ist aber alles nur Theorie. Ich werde Hans sagen, dass er noch einmal mit Roger reden muss. Der findet raus, was wirklich war.“
„Was ist eigentlich mit Valentin?“
„Ist für drei Tage nach Amsterdam.“
„So ein Typ wie Tobler war bisher noch nie dein Fall. Niemand kommt einfach so zu so viel Geld. Jana würde ihn Ausbeuter nennen.“
„Ist doch Quatsch. Er nimmt es von den Reichen.“
„Okay, nennen wir ihn Robin Hood“, spotte ich.
„Was ist, wenn Roger häufiger solche Kameras montiert hat?“, fragt Vesna.
„Dann müsste er eigentlich mehr Geld haben.“
Aber darum geht es jetzt nicht. Wir müssen den populären Wirtschaftsmeinungsforscher kriegen. Er hat beste Beziehungen. Er hat Geld. Kann sich die teuersten Anwälte leisten. Ist das vielleicht auch der Grund, warum sich seine Frau nie gewehrt hat? Weil er jedenfalls am längeren Ast zu sitzen scheint? Wir werden einen Weg finden, dir den Ast abzusägen, Herr Professor.
[ 14. ]
Ich bin schrecklich nervös, ich gebe es zu. Wir haben gestern einen Plan entwickelt, wie wir Osthof fassen könnten. Hans Tobler ist mit von der Partie. Ich soll der Köder sein. Vesna wollte es nicht, aber es ist die Variante, bei der der Wirtschaftsprofessor und Meinungsforscher am ehesten anbeißt. Momentan ist er in seinem Institut.
Am Vormittag waren Vesna und ich bei seiner Frau Claudia, haben sie gebeten, an einen sicheren Ort zu gehen. Zu einer Freundin. Und wenn es keine gibt, dann in Vesnas Büro. Bald sei alles vorbei.
„Was?“, hat sie gefragt und dreingesehen, als ob sie keine Ahnung hätte, wovon wir sprechen. Und ich muss sagen, auch mir fiel es schwer, den schwarz-weißen Schatten auf der DVD mit der sportlichen Frau vor mir zusammenzubringen. Der Cut auf ihrer Stirn. Er ist inzwischen beinahe verheilt. Aber Realität.
„Wir wissen, dass er Sie verprügelt hat, immer wieder“, habe ich gesagt.
Ach, das. Da sei ihm nur die Hand ausgekommen. Hätten
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