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Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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ständig. Sie wohnt ganz nahe.“ Die Verkäuferin hebt das Kinn ein wenig. „Ist ja nicht so, dass sie selbst als Verkäuferin arbeiten muss.“
    „Sie waren auch nicht immer Verkäuferin, oder?“
    „Tja, die Zeiten werden härter. Mein Mann war Techniker bei Siemens. Diplomingenieur. Jetzt ist er arbeitslos. Wenn wir unseren Lebensstandard halten wollen, dann muss ich eben dazuverdienen.“
    Es soll Leute geben, bei denen es um mehr als um einen gehobenen Lebensstandard geht.
    Barbara Schönfeld, wie ich diversen Internet-Klatschspalten entnommen habe, Barbie genannt, kommt nur zehn Minuten später. Wer wäre ich, um mich über Menschen mit Wohnung in der Wiener Innenstadt zu mokieren? Tatsächlich hat sie etwas von einer Barbiepuppe. Allerdings vom Original. Ist das nicht gerade fünfzig geworden? Perfekt gepflegte blonde lange Haare, Topfigur, lange Beine, Busen, wie vom Fachmann gefertigt. Ob sie auch sprechen kann? Sie lächelt und gibt mir die Hand.
    „Es war eine naheliegende Geschäftsidee“, sagt sie, als wir im kleinen, aber feinen Hinterzimmer sitzen. Echter Teppich, Glastisch, schlichte rote Ledersessel. „Ich kenne einige gute Secondhandläden in Deutschland. Wiesbaden, Frankfurt. Warum sollte so etwas in Wien nicht funktionieren?“
    „Und? Es funktioniert?“
    Sie nickt und lächelt leicht. „Wenn Sie übrigens glauben, dass ich mir von meinem Lebensgefährten habe helfen lassen, dann täuschen Sie sich.“
    Barbie kann nicht nur sprechen, sondern auch denken. Schon wieder ein Vorurteil zertrümmert. „Und wer kommt und kauft hier ein? Wer kommt und verkauft?“
    Barbie schüttelt den Kopf. „Da sind wir natürlich sehr diskret. Aber es ist auch weniger spektakulär, als Sie denken. Es gibt genug Menschen mit viel Geld, die keiner aus den Klatschspalten kennt. Die wenigsten hier müssen ihre Kleidung verkaufen. Sie wollen sie einfach nicht öfter als einmal oder nur wenige Male tragen und sie können rechnen. Also kaufe ich ihnen die Teile ab und sie kaufen sich etwas Neues.“
    „Kann es sein, dass hin und wieder gefälschte Ware bei Ihnen landet?“
    „Auszuschließen ist nichts. Manche Imitate sehen frappierend echt aus. Aber wenn Sie meinen, dass wir neues Gefälschtes kaufen und als getragenes Echtes verkaufen: Sicher nicht. Ich bekomme genug Originale rein.“
    „Früher einmal war hier eine Buchhandlung“, sage ich möglichst neutral.
    „Als ich erfahren habe, dass dieser Standort frei wird, wollte ich ohnehin zuerst eine Buchhandlung aufmachen. Eine, in der es auch Cocktails und kleine Happen zum Essen gibt und Tische, an denen man lesen kann, so lange man möchte. Ich liebe so etwas. Ich hab es in Paris gesehen und in New York. Ich war Model.“ Sie schneidet eine Grimasse und grinst. „Im vorigen Jahrtausend.“
    Hätte ich nie angenommen, aber die Frau ist sympathisch. „Und? Warum dann doch keine Buchhandlung?“
    „Vernünftige Menschen haben es mir ausgeredet. Als ich das Geschäftslokal übernehmen konnte, war gar keine Buchhandlungseinrichtung mehr da. Die letzten zwei Jahre war es ein Mobiltelefonshop gewesen. Und, ich gebe es zu, leider verstehe ich von Klamotten weit mehr als von Büchern. Und dann hat noch meine Lieblingsbuchhändlerin eine Filiale gleich hinter dem Stephansdom eröffnet. Die ist um so vieles besser als ich …“
    „Ich glaube, wir haben die gleiche Lieblingsbuchhändlerin“, lächle ich.
    Wir verabreden uns für morgen Vormittag, ich werde mit einem Fotografen kommen. Die Geschichte der Frau ist interessant, allemal. Eine, die aus ihrem Leben etwas gemacht hat. Mit wie viel Glück? Auch Schönheit muss nicht immer Glück bedeuten. Ich denke an die später so voluminöse Frau, ihren Arm, der immer wieder zur Extrawurst greift und noch ein dickes Stück abschneidet. Ihr Liebling hat sie dabei beobachtet. Ich werde noch einmal zu diesem Haus fahren. Ich werde Fotos machen. Draußen, drinnen, ich glaube nicht, dass ihre Kinder damit ein Problem haben. Wo sonst, wie sonst ließe sich Armut mitten in Österreich besser darstellen? Ich will eine Reportage über das Elend hier bei uns machen. Das versteckte Elend. Vielleicht kann das ein kleiner Beitrag sein, damit sich etwas ändert. Damit gewisse Menschen nachzudenken beginnen. Ha, die edle Mira. Ich höre schon, wie Droch spottet. Aber ich weiß ja, dass er es nicht so meint. Jedenfalls nicht ganz so. Und Oskar ist es mit Sicherheit lieber, ich kümmere mich um dieses Thema, als ich hetze

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