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Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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dass das Haus, in dem sie wohnt, tatsächlich abgerissen wird?
    „Gut“, sagt die Cousine überraschend schnell. Wahrscheinlich ist ihr klar, dass sie für die Bruchbude eigentlich überhaupt nichts zu erwarten hat.
    Mir fällt noch etwas ein. „Wissen Sie, ob Ihre Cousine mit den Mitgliedern der ersten Band noch Kontakt hatte? Können Sie sich an Namen erinnern?“
    Die Frau schüttelt den Kopf. „Ich weiß nur, dass der eine einen Vater hatte, der ein hohes Tier war. Ein Politiker. Oder sonst ein Prominenter. Aber Namen …“
    Das Café, in dem wir uns vor Kurzem mit Roger getroffen haben, liegt ganz in der Nähe. Wenn er tatsächlich an dem Tag bei seiner Mutter war, an dem sie ums Leben gekommen ist … Wir haben das Auto in der Parklücke nahe dem Hauseingang von Doris Hampel stehen lassen und gehen zu Fuß Richtung Einkaufspassage. Eigentlich sind hier erstaunlich wenig Menschen unterwegs. Ein paar Jugendliche hocken auf Schaukeln, die deutlich zu klein für sie sind. Sie schauen uns an, nicht aggressiv, eher passiv, abwartend. Würden zwei Elefantenkühe vorbeitraben, sie würden vermutlich nicht anders dreinsehen. Aus einem Fenster dringt laute Musik. Irgend so ein volkstümliches Gedudel. „Berge“, kann ich verstehen und: „Schmerz“.
    Zwei jüngere Frauen schieben ihr schwer bepacktes Fahrrad und tratschen miteinander. Die eine lacht auf, die andere schüttelt den Kopf. Offenbar waren sie gerade einkaufen.
    Im Café „End“ sind heute nur zwei Tische belegt. An einem sitzen drei dunkeläugige, schwarzhaarige Männer, trinken Cola und rauchen. Am anderen ein Paar, das aussieht, als würde es hier schon seit dem Frühstück trinken. Beide haben ein halb volles Glas Rotwein vor sich. Die Musik ist heute etwas leiser, vielleicht wirkt es aber auch nur so, weil mir die Nummer gefällt. Joe Cocker. „Unchain my heart …“ Kein Roger. Pech gehabt.
    „Wir trinken wunderbaren Gespritzten“, sagt Vesna und zieht mich zu dem Tisch, auf dem kein voller Aschenbecher steht. In dieser Gegend scheinen die zahlreichen Nichtraucherkampagnen nicht im Geringsten gewirkt zu haben. Der raubmörderartige Bruder des Winzers erkennt uns wieder und versucht ein Lächeln. Wahrscheinlich ist er ohnehin ein sanfter und netter Mensch, und wenn er nicht danach aussieht, dann ist das in diesem Café nur von Vorteil.
    „Vielleicht ist Roger zu seiner Mutter gekommen. Sie haben gestritten, er hat sie gestoßen. Sie ist gegen den Ofen gefallen. Er ist abgehauen“, überlegt Vesna.
    Ich schüttle zweifelnd den Kopf. Evelyn Maier scheint keine gewesen zu sein, mit der man streiten konnte. Zu passiv. Und sie scheint auch keine gewesen zu sein, von der irgendjemand etwas wollte.
    „Die Cousine ist jedenfalls wirklich Kotzbrocken“, fährt Vesna fort.
    „Wir haben ganz vergessen zu fragen, wo sie gestern Nacht war“, erinnere ich mich.
    „Wenn sie dich geschlagen hätte, dann hätte sie nicht Türe aufgemacht“, überlegt Vesna.
    Ich nicke. Es war schon dunkel. Aber wer immer mich niedergeschlagen hat, muss mich gesehen haben. Ich hatte mit der Taschenlampe Richtung Tisch geleuchtet.
    „Sie sind hergezogen?“, fragt der Kellner mit der gefährlichen Physiognomie.
    „Nur auf Besuch“, lächelt Vesna. „Haben Sie Evelyn Maier gekannt? Die hat hier bis vor einem Jahr gewohnt.“
    „Hier wohnen Tausende Menschen. Wie hat sie denn ausgesehen?“
    „Die Mutter von Roger“, helfe ich nach.
    „Die aufgeschwemmte Blonde?“
    Wir nicken beide.
    „Die war ganz selten hier, hatte, glaube ich, auch nicht viel Geld, und Alkohol hat sie sowieso keinen getrunken. Bis auf die drei Türken dort hinten sind die meisten Stammgäste welche, die ganz gern etwas trinken. Was ist mit ihr?“
    „Sie war früher Sängerin, haben Sie das gewusst?“
    Der Mann schüttelt den Kopf. „Ihre Tochter singt. Das weiß ich. Sie ist in der Siedlung groß geworden. Bei den Siedlungsfesten hat sie immer gesungen, auch wie sie noch ein halbes Kind war. Eine Bombenstimme. Aber die ist weg von hier. Und Rogers Mutter auch.“
    Ich probiere es weiter. „Roger … was ist das für ein Typ?“
    Das Gesicht des Mannes verschließt sich. „Ich tratsche nicht über meine Gäste. Ist das klar?“
    „Ihnen gehört das Lokal?“, fragt Vesna rasch.
    „Ich hab es gepachtet. – Noch einen Gespritzten?“
    Wir lehnen dankend ab und zahlen. Heute kein Roger. Und lieber nicht zu neugierig sein. Nicht hier. Die Tür ist offen, wir gehen ins Freie. Ich bleibe

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