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Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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Scheiben Toscanabrot in grobe Würfel geschnitten. In einer Pfanne brate ich reichlich Zwiebel und fein gehackten frischen Ingwer an. Während ich Knoblauch schäle, überlege ich: Wer kauft sich einen Maybach? Kann so viel Geld halbwegs ehrlich erworben sein? Kann es sein, dass ein Maybachbesitzer Grund hat, die mittellose, kaputte Evelyn Maier umzubringen? Vielleicht war der Fahrer ja gar nicht der Besitzer des Maybach. Ich gebe Knoblauchscheibchen in die Pfanne und röste sie mit. Allerdings ist er mindestens zweimal mit diesem Luxusschlitten gekommen. Mehr als fünfhunderttausend Euro für ein Auto. Evelyn hatte nicht einmal so viel, dass sie ihre Sozialwohnung behalten konnte. Aus dem Tiefkühler nehme ich zwei Chili. Tiefgefroren bleiben sie knackig und scharf und ich habe so immer einen beruhigenden Vorrat. Ich schneide sie fein und röste auch sie kurz mit.
    Evelyn dürfte zumindest im letzten Jahr nie mehr richtig gekocht haben. Zeug aus der Mikrowelle, billige Wurst, billiges Weißbrot. Ihre Tochter ist unterwegs in eine bessere Zukunft. Sie scheint tatsächlich ein großes Talent zu sein. Ob sich in ihrer Biografie eine Sozialhilfeempfängerin als Mutter gut machen würde? Céline ist sehr attraktiv. Was, wenn sie einen stinkreichen Freund hat, einen mit einem Maybach? Nur weil einer reich ist, bringt er noch keine Leute um, bloß weil sie nicht ins Leben seiner Freundin passen. Hoffe ich jedenfalls. Ich schneide eine Mango in kleine Würfel, vermische sie mit dem Brot und viel frischem Thymian, gebe den Inhalt der Pfanne dazu, mixe drei Eier mit Salz und Neugewürz und hebe alles mit einem kräftigen Schuss karibischem Kokosrum vorsichtig unter die Masse. Das Ganze ist noch etwas zu weich. Aber es schmeckt gut. Schön exotisch scharf. Zwei Handvoll Brösel dazu und dann passt die Konsistenz.
    Morgen ist das Begräbnis von Evelyn. Ob jemand aus ihrer Vergangenheit auftaucht? Vesna und ich werden jedenfalls dort sein. Junge Sängerin mit großen Plänen. Und dann der Abstieg. Wodurch? Können da nur missglückte Beziehungen schuld sein? Sie hatte keine abgeschlossene Ausbildung. Sie hatte zwei kleine Kinder. Wollte sie wirklich nicht mehr singen oder hatte sie keine Zeit mehr dazu?
    Ich bestreiche den großen Glasbräter, den ich zu Oskar importiert habe, mit Olivenöl, streue ein wenig von diesem wunderbaren groben Meersalz darüber. Dann gebe ich das schlappe Tier hinein – hat nicht auch Evelyn ein wenig so gewirkt, als habe man ihr das Rückgrat genommen? – und fülle es Löffel für Löffel, bis es prächtig prall in der Pfanne sitzt. Die beiden Öffnungen stecke ich einfach mit ein paar kleinen Metallspießen zu, etwas Olivenöl, etwas Fleur de Sel über die Ente. Dann ab ins Rohr, das ich auf 220 Grad vorgeheizt habe. Ich stelle die Herduhr. In einer Viertelstunde werde ich die Hitze auf 150 Grad reduzieren. Und in einer Stunde auf 90 Grad. Danach kann Oskar, wann auch immer, kommen, und sein ganz besonderes Willkommensessen ist fertig. Er hat in seiner Wirtschaftsanwaltskanzlei und bei Gericht immer wieder auch mit den wirklich Reichen zu tun. Vielleicht kennt er ja einen, der einen Maybach fährt.
    Ich stehe mit Vesna und Jana vor der Aufbahrungshalle. Auf dem Wiener Zentralfriedhof wird einem bewusst, dass der Tod alle trifft. Unvorhergesehen: „Aus unserer Mitte gerissen“, heißt das dann auf dem Partezettel. Oder absehbar: „Nach langem schwerem Leiden“. Oder: „Nach kurzem schwerem Leiden“, wie auch zu lesen steht. Der Tod ist hier kein unfassbarer Einzelfall, keine individuelle Katastrophe, sondern Endstation derer, die leben. Grüppchen von Menschen in schwarzer oder zumindest dunkler Kleidung. Auto einer Gärtnerei, auf der Ladefläche verdorrte Kränze. Ich zähle über fünfzig Menschen, die zusammenstehen und miteinander flüstern, als könnte sie der Tod sonst hören. Kommen sie alle zu Evelyns Begräbnis? Oder sind wir bei der falschen Halle?
    „Sind richtig“, sagt Vesna.
    Wir gehen nach hinein. Da steht nicht nur ein Sarg, da stehen mehrere Särge, jeder in einer Nische. Céline sieht in Schwarz wie eine junge Krähe aus. Roger trägt ein zu kleines Sakko, dazu schwarze Jeans. Doris Hampel ist auch gekommen, sie steht etwas abseits und hat eine beinahe professionelle Leichenbittermiene aufgesetzt, so als wäre ihr die verstorbene Cousine der liebste Mensch auf Erden gewesen. Jetzt muss sie wieder selbst putzen. Noch weiter weg steht eine Frau um die vierzig, kurze braune

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