Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
deutschen Partnerkanzlei arbeitet, endlich durch ist. Momentan geht es darum, ob der Deal vor die Europäische Wettbewerbsbehörde muss oder nicht. Hätte ich etwas aus meinem Jusstudium gemacht, könnte ich mich jetzt auch mit solchen Dingen beschäftigen. So aber recherchiere ich den angeblichen Fahrradboom und überlege, wie ich das Thema „Armut in Österreich“ in eine „Magazin“-taugliche und trotzdem seriöse Geschichte verpacken könnte.
Mein Ersatztelefon. Ich habe mich an den neuen Klingelton noch nicht gewöhnt. Ich habe gestern am späten Nachmittag versucht herauszubekommen, wie lange die Spurensicherung mein Telefon noch braucht. Aber ich habe niemanden erreicht, der mir hätte Auskunft geben können.
Ich drücke die Annahmetaste. Es ist Vesna.
„Ich weiß jetzt, wie viele Maybach in Österreich angemeldet sind. Und wem sie gehören.“ Pause.
„Wie hast du das wieder geschafft?“ Ich sage es voller Hochachtung und ehrlicher Verblüffung. Es hat nicht danach ausgesehen, als ob sich das so schnell klären ließe.
„Auch Maybach muss angemeldet werden. Und wenn man an der richtigen Stelle jemand kennt, der eine Freundin hat, der man schon einmal geholfen hat …“
„Und der hat dir unter der Hand die Zulassungsdaten rausgerückt.“
„Genau. Ich habe mit seiner Freundin gesprochen. Die hat vor einem Jahr große Probleme gehabt. Kolleginnen haben sie gemobbt. Und sogar behauptet, sie hat in der Firma gestohlen. Frechheit, nur weil sie aus Türkei stammt. Hat bei uns ein Studium abgeschlossen. Spitzenfrau. Eine Verwandte von ihr hat ein paar Monate bei mir gearbeitet, die hat das mit den Nachforschungen gewusst, auch wenn sie selbst nur putzen gewollt hat. Also ich habe nachgesehen in der Firma und aufklären können. War jemand ganz anders mit den Diebstählen. Eine von Mobberinnen.“
Mir schwirrt der Kopf von Vesnas genialen Querverbindungen durchs Leben. Außerdem hat sich meine Beule noch nicht ganz beruhigt. „Und? Wem gehören die Autos?“
„Einer gehört einem berühmten Dirigent. Einer gehört amerikanischen Manager mit Schloss im Salzkammergut, ist schon in Pension. Und einer gehört Autohändler.“
„Dann bleiben wohl der Dirigent und der Autohändler zur Wahl“, überlege ich.
„Meine ich auch“, sagt Vesna. „Allerdings war Dirigent in den Achtzigerjahren schon weltberühmt, unwahrscheinlich, dass er mit Evelyn zu tun gehabt hat. Noch dazu, wo sie Schlager gesungen hat.“
„Er könnte ihr Freund gewesen sein. Heimlich. Der berühmte Dirigent und die schöne junge Schlagersängerin. Oder … Einer von der Band war Mechaniker. Und vom Mechaniker zum Autohändler ist es nicht so weit.“
„Habe Adresse schon rausgesucht. Er heißt Hans Tobler und seine Firma heißt ‚US-Speed‘. Sie haben am Samstag bis siebzehn Uhr offen. Wir treffen uns dort?“
Ich verspreche, in einer Stunde in der Wagramer Straße zu sein. Zuerst schaue ich im Internet noch auf die Homepage von „US-Speed“. Als Startseite ein Bohrturm wie aus der Fernsehserie „Dallas“, und dann fahren aus allen Ecken des Bildschirms amerikanische Straßenkreuzer, Geländewagen, Sportwagen über die Seite.
Auf der nächsten Seite lese ich, dass „US-Speed“ neben den neuesten Sportwagenmodellen eine riesige Auswahl an amerikanischen Oldtimern hat – und alle nur denkbaren Ersatzteile für solche Wagen. Es folgen Beschreibungen und Detailfotos von Autos. Auf der Kontaktseite, ganz klein, neben denen von Fachmitarbeitern auch ein Bild des Firmenchefs Hans Tobler. Braune Haare, kurz geschnitten, an den Schläfen grau. Brauner Schnurrbart. Er könnte Mitte vierzig sein. Ein eher zierlicher Typ. Keyboarder oder Drummer? Keine Ahnung, er scheint mir mit beiden Männern von den „Three Friends“ keine besondere Ähnlichkeit zu haben. Allerdings sind Evelyns Fotos fünfundzwanzig Jahre alt. Außerdem könnte Tobler ja auch ein Fan, ein Freund, ihr Liebhaber gewesen sein. Wenn es überhaupt eine Beziehung zwischen dem Autohändler und der gefallenen Sängerin gibt.
„US-Speed“ ist ganz leicht zu finden. Nicht nur durch die wuchtige Aufschrift oberhalb der riesigen Glasfront, sondern vor allem durch den Bohrturm in Originalgröße, der auf dem Freigelände in die Höhe ragt. Jetzt erst wird mir bewusst, wie oft ich ihn schon beim Vorbeifahren gesehen habe. Vesna steht vor dem Eingang, ihren Wagen muss sie irgendwo anders geparkt haben. Er ist nicht besonders eindrucksvoll. Falls sie uns als
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