Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
absetzen. Dabei schwöre ich: Privat reichen mir No-Name-Jeans und nie würde ich ein noch so gut geschnittenes Designerkostüm tragen.“
Ich frage sie, ob sie noch andere kenne, die an Barbie Schönfeld verkaufen. Sie überlegt und nennt mir drei Namen. Zwei Bankmanagerinnen und die Frau eines Theaterdirektors. Allemal. Meine Story wächst.
Am frühen Nachmittag bin ich fertig. Ich biege die Blätter des Riesenphilodendrons vor meinem Schreibtisch zur Seite und gehe durch das Großraumbüro zu Droch. Einige meiner Kollegen arbeiten noch hektisch, andere genießen schon das gute Gefühl, die Wochenarbeit abgeschlossen zu haben. Sie stehen herum, tratschen. Droch hat das Privileg eines, wenn auch kleinen, Einzelzimmers. Droch weiß eine Menge, vor allem wenn es um vergangene Jahrzehnte geht. Er hat ein hervorragendes Gedächtnis. Aber bei meiner Frage schüttelt er bloß den Kopf. „‚Three Friends‘? Nie gehört.“
„Im Internet habe ich leider auch nichts über sie gefunden“, erzähle ich ihm bedauernd. „Eines der Bandmitglieder hat einen prominenten Vater gehabt. Einen Politiker oder so.“
Droch schüttelt wieder den Kopf. „Mitte der Achtzigerjahre, sagst du? Das ist doch viel eher deine Zeit. Ganz abgesehen davon, dass mich Pop und Rock nie besonders interessiert haben. Mit Ausnahme der Stones vielleicht.“
Ich grinse Droch an. Fällt mir ziemlich schwer, zu glauben, dass Droch ein Stones-Fan war. Aber stimmt schon, als die Stones jung waren, war auch Droch jung. Ich war Mitte der Achtziger in New York, mit einem abgeschlossenen Studium der Rechtswissenschaft und wild entschlossen, mir die Welt anzusehen, bevor ich entscheide, was ich endgültig tun will. Als Journalistin Berichte nach Österreich und Deutschland zu schicken erschien mir damals am naheliegendsten.
Ich erzähle Droch von Céline und ihrer Gesangsausbildung.
„Die kenne ich“, sagt er überraschenderweise. „Sie hat letztes Jahr einen wichtigen Nachwuchswettbewerb gewonnen.“
„Du hörst dir so etwas an?“
„Um ehrlich zu sein: Meine Frau liebt Musikwettbewerbe, und ab und zu kann ich ihr ja auch einen Gefallen tun. Céline Maier war übrigens beeindruckend. Sie hat nicht nur eine der Standardarien gesungen, sondern auch Lieder von Schönberg und Krenek.“
„Und sie ist ziemlich attraktiv“, ergänze ich.
Droch lacht etwas spöttisch. „Was selbst mir Oldie nicht entgangen ist.“
„Du bist nicht alt“, rufe ich spontan und meine es auch so. Droch ist zwar etwas über sechzig, aber er sieht verdammt gut aus. Irgend so ein Werbetyp hat ihn vor gar nicht langer Zeit für eine Kampagne buchen wollen. Man brauche ohnehin nur sein Gesicht, hat er klargestellt. Droch hat abgelehnt, aber geschmeichelt war er doch irgendwie, hatte ich den Eindruck.
„Was hast du da?“, fragt mein Freund mit dem markanten Gesicht.
Ich habe die Fotoausdrucke des großen Autos vor dem Haus von Evelyn in eine Klarsichthülle gesteckt. Droch ist nicht eben ein Autonarr, ich wollte damit eigentlich zu Fred von der Wirtschaftsredaktion und jedenfalls in die Sportredaktion. Ich erzähle ihm kurz von den Speicherkarten und ihrem Inhalt. Droch sieht die Fotos aufmerksam an. „Keine Ahnung“, sag er. Dann schaut er mir ins Gesicht. „Hat deine Beule vielleicht auch etwas damit zu tun?“
Ich dachte, ich hätte meine Stirnfransen gekonnt darüberfrisiert. Aber heute leuchtet sie grünlich blau und lässt sich offensichtlich durch nichts verbergen.
„Vielleicht“, murmle ich.
In der Wirtschaftsredaktion und in der Sportredaktion löse ich mit meinen Fotos heftige Diskussionen aus. Fred hält das Auto für das Luxusmodell von Audi, Else glaubt an einen Mercedes der E-Klasse. Der Sportchef stellt als Einziger die Frage: „Was macht das Auto dort?“ Da kann ich ihm allerdings auch nicht helfen. Ich lasse die angeblichen Autoexperten zurück und mache mich auf den Weg in die Fotoredaktion.
Die Bilder von Barbie Schönfeld sind gut geworden, sie ist enorm fotogen, sieht um zehn Jahre jünger aus. Und auch auf dem Foto, auf dem sie – ganz Geschäftsfrau – mit Lesebrille vor dem Computer sitzt, wirkt sie wie aus einem A-Movie. Ich bedanke mich bei meinem Fotografen für die schnelle und gute Arbeit. Er ist noch nicht lange beim ‚Magazin‘, ich habe heute zum ersten Mal mit ihm gearbeitet. Jürgen freut sich sichtlich über mein Lob.
„Was hast du da?“, fragt er, wie auch schon Droch.
Ich zeige ihm die Fotos. Er dreht eines nach
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