Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
Wann ist Evelyn nach Österreich zurückgekommen?“
„Zwei Jahre nachdem die Band zerbrochen war. Ein Kellner hat ihr das Blaue vom Himmel versprochen und sie dann mit einem Kind sitzen gelassen.“
Tobler schüttelt den Kopf. „Und wir sind uns die ganzen Jahre nie begegnet.“
„Sie haben nicht nach ihr gesucht?“, will Vesna wissen.
„Nicht mehr. Ich bin ihr einmal in die Schweiz und einmal nach Italien nachgereist. Sie war sehr verletzend: Wenn ich glaube, dass der Weg zu ihr jetzt frei sei, weil Hubert tot ist, dann täusche ich mich, hat sie gesagt. Sie hat mir sogar unterstellt, über den Tod von Hubert froh zu sein. Er war mein bester Freund. Ich habe mich in die Arbeit gestürzt.“
Ich sehe auf dem monströsen Schreibtisch eine Reihe von Fotorahmen. „Und Sie haben eine andere geheiratet.“
„Ja, einige Jahre später. Und ich habe mich wieder scheiden lassen. Und habe wieder geheiratet. Und bin wieder geschieden worden.“ Er grinst schief. „Wahrscheinlich hätte ich Evelyn sowieso unglücklich gemacht.“
„So sie war auch nicht besonders glücklich. Jedenfalls nicht in letzter Zeit“, merkt Vesna an.
Er deutet zum Schreibtisch hinüber. „Den habe ich übrigens ersteigert, war in ‚Dallas‘ der Schreibtisch von J.R.“
Manche Dinge sind eben doch genau das, was sie zu sein scheinen, wie beruhigend. Der Autohändler steht auf, nimmt eins der Bilder vom Schreibtisch und hält es uns hin. Es zeigt die „Three Friends“. Es ist das gleiche Promotionfoto, das ich bei Evelyn gefunden habe.
„Ich werde ein Detektivbüro beauftragen“, sagt er, stellt das Foto auf den Nierentisch und setzt sich wieder. „Sie haben gesagt, Evelyns Tochter glaubt nicht an einen Unfall. Ich will das geklärt wissen. Wie alt ist sie übrigens?“
„Einundzwanzig. Und angehende Sängerin. Studiert an der Musikuniversität“, sagt Vesna. „Gibt auch noch einen Sohn mit dreiundzwanzig. Wir sind schon einigen Spuren nachgegangen. Neben Reinigungsunternehmen ich mache so Art Nachforschungen. So sind wir auf Maybach vor dem Haus gekommen.“
„Wenn ich ihr Übles gewollt hätte, ich wäre nicht mit dem Maybach gekommen. Ich bin ja kein Idiot. – Ich möchte Sie beauftragen, ist das in Ordnung? Einhundert Euro die Stunde, dafür ordentliche Berichte und saubere Abrechnungen.“
„Ich habe kein offizielles Detektivbüro, nur wegen Klarheit“, sagt Vesna.
„Ich will keine offiziellen Nachforschungen anstellen. Ich brauche auch keine Rechnung für die Steuer.“
„Kann man aber machen“, sagt die Geschäftsfrau Vesna Krajner. „Einfach für Reinigungsarbeiten.“
Tobler schüttelt den Kopf. „Ich hätte mich nicht abweisen lassen dürfen“, murmelt er.
Wir gehen durch die belebten Schauräume, an schicken Autos und schicken Menschen vorbei, passieren inspirierende Empfangsdamen, das Portal aus Glas und Chrom und stehen auf der Straße. „The American Dream“ hat eben viele Spielarten.
„Ist es klug, für ihn zu arbeiten?“, frage ich Vesna vorsichtig. Der Auftrag ist jedenfalls sehr gut bezahlt, das ist mir klar.
„Ich denke mir, ist beste Art, um an ihm dranzubleiben. Natürlich er bleibt verdächtig. Er hat Evelyn geliebt, aber sie hat Hubert geliebt. Was, wenn er mit seinem Tod zu tun gehabt hat? Weil er gehofft hat, dass Evelyn dann zu ihm kommt?“
Ich nicke. „Das würde auch erklären, warum sie sich noch nach Jahrzehnten geweigert hat, mit ihm zu reden.“
„Andererseits“, fährt Vesna fort: „Was hätte er für Grund, ihr etwas anzutun? Jetzt?“
„Wenn es Mord war … der ist noch nicht verjährt“, überlege ich. „Aber ausgesehen hat er nicht wie ein Mörder. Er schien wirklich traurig.“
„Nicht ausgesehen wie ein Mörder“, spottet Vesna, „das zählt nicht, er ist sicher gut im Vorspielen, er ist Autoverkäufer. Und vielleicht war es ja ein Unfall. Sie will ihn nicht hineinlassen, er kommt trotzdem ins Haus, sie streiten, sie fällt gegen Ofen … Kann natürlich auch ganz anders gewesen sein.“
Als ich heimkomme, überrascht mich Oskar mit Karten für den morgigen Abend. Jeunesse-Liederabend im Wiener Konzerthaus. Mit dabei: Céline Maier. Dass ich darauf nicht selbst gekommen bin. Aber für klassische Kultur war bei uns eben immer schon Oskar zuständig. Seine Mutter hat seit Jahrzehnten ein Abo im Musikverein Wien. Mich befallen allein bei der Vorstellung, dort regelmäßig hingehen zu müssen, Gähnkrämpfe. Nicht dass ich etwas gegen klassische
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