Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
man und will Bericht geben, und dann das.“
„Hast du meine Telefonnummer verloren?“, ätzt Tobler. „Sonst gibt es wohl keinen Grund, sich durch die Hintertür aufs Gelände zu schleichen, oder? Wer sind eure Auftraggeber?“
Vesna sieht gehetzt zur Tür.
„Vergiss es“, höhnt Tobler. „Die ist zu. Und es dauert nur eine halbe Minute und meine Wachleute sind zurück.“
„Wir haben keine Auftraggeber“, sage ich und merke, wie meine Stimme zittert. „Evelyn …“
Tobler brüllt: „Vergiss das mit Evelyn! Ich Idiot habe euch geglaubt! Für euch war es wohl der beste Weg, um an mich ranzukommen! Sehr klug zu merken, dass ich da meine schwache Seite habe!“
Vesna geht auf ihn zu, baut sich keinen Meter vor ihm auf. „Schwache Seite? Ich war zu dumm, um Falle zu merken, aber so dumm bin ich nicht.“
„Wer war der Anwalt am Abend? Wenn er überhaupt Anwalt war. Und sagt nicht, dass ihr ihn nicht kennt.“
„Was weiß ich, welche Leute du kennst. Autogeschäft scheint ziemlich zwielichtig, wenn du zu Bewachung Gangster brauchst!“, schreit Vesna.
Mir wird schwindlig. Es beginnt sich alles zu drehen. Vesna und Tobler und die chromblitzenden Autos, zu denen man vom Eingangsbereich aus sieht, und die Tür und die Lampe, sie spielen Ringelspiel, spielen Ringelspiel.
„He, das nützt dir nichts“, sagt Tobler hart, aber eine Spur leiser. Leiser. Immer leiser. Immer weicher. Weicher. – Hart! Ich bin am Boden aufgeschlagen, versuche mich auf meine Arme zu stützen, bin irgendwie auf allen vieren. Auf allen vieren ist man stabiler, da dreht sich nicht alles so. Ein Zwitschern. Nein, es ist Vesna. Zwei überdimensionale Geisterbahnaugen. Nein, es sind die von Tobler. Eine riesige Hand. Sie kommt näher. Ich ducke mich, verliere die Balance, liege da wie ein Käfer.
„Lass sie!“, schreit Vesna.
„Ich wollte sie doch nur tätscheln, damit sie wieder zu sich kommt“, sagt Tobler, deutlich leiser. Oder höre ich auf diesem Ohr nichts mehr? Ich bewege meinen Kopf. Vorsichtig. Er fällt nicht ab. Die Tür bleibt, wo sie hingehört. Die Lampe sitzt fest an der Decke. Zwei Paar Augen starren mich an, ganz ohne Geisterbahn und Ringelspiel. Ich atme vorsichtig durch und rapple mich auf, hocke am Boden.
„Geht’s?“, sagt Tobler und er hört sich tatsächlich besorgt an. Jedenfalls ein bisschen. Ich nicke. Auch das schaffe ich, ohne in größere Turbulenzen zu kommen.
„Der Anwalt ist mein Mann“, flüstere ich und höre Vesna fauchen. Nein, jetzt machen wir es einmal so, wie ich es möchte. Ich habe keine Kraft mehr für weitere wilde Ausreden. Und keine Lust, verprügelt zu werden. Ich bin feige. Kann schon sein. Aber etwas Besseres als die Wahrheit fällt mir momentan einfach nicht ein.
„Kann sein, dass Evelyn ein paar Wochen vor ihrem Tod einen Lottogewinn gemacht hat. Wir haben aber weder den Schein noch Geld bei ihr gefunden“, fahre ich langsam fort.
Tobler starrt mich mit offenem Mund an, glaubt offenbar, dass ich geistig noch nicht ganz auf der Höhe bin, starrt hinüber zu Vesna. Sie nickt langsam. „Du bist Auftraggeber. Aber ich habe Gefühl, du willst nicht jedes Ergebnis. Du sagst nicht alles, was du weißt.“
„So sind wir auf die Idee gekommen, dass es ja um das Autohaus vielleicht schlechter stehen könnte, als man glaubt“, erläutere ich. „Dass du also dringend Geld gebraucht hast und …“
„… und ich Evelyn den Lottoschein geklaut habe?“, krächzt er. „Meine Güte. Sie hat mich doch nicht einmal reingelassen. Vielleicht deswegen nicht, aber das glaube ich nicht. Nein, das glaube ich alles nicht.“ Er keucht. Geht er jetzt zu Boden? Er schüttelt sich. Ein Anfall? Er beginnt zu lachen, lacht immer lauter, bis ihm die Tränen kommen. Wir beide stehen da mit hängenden Armen und schauen ihm zu. Können nicht lachen. „Kommt mit, kommt mit“, sagt er und deutet in einen Nebengang. Was bleibt uns anderes übrig? Außerdem muss ich zugeben, dass er momentan nicht besonders gefährlich wirkt.
„Meine Güte, wie sehr ich ihr einen Lottogewinn gegönnt hätte!“ Tobler sperrt eine Tür auf und wir stehen in einer überdimensionalen Garage mit dem gleichen Marmorfußboden wie in den Schauräumen. Die rückwärtige Wand scheint ein großes weißes Schiebetor zu sein. Der Raum ist penibel aufgeräumt. Vielleicht ist es so etwas wie ein Autoseparee für ganz besondere Kunden? Auf der rechten Seite ein großes knallrotes Cabrio mit weißen Ledersitzen, auf der
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