Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
es hier nicht. Besser so. Gebrauchte amerikanische Autos, zu jung, um Oldtimer zu sein, zu alt, um in den edlen Hallen ausgestellt zu werden. Sie werfen lange schwarze Schatten. In der Mitte des Geländes der Bohrturm. Wenn da einer hockt … Ich sage es Vesna. Sie drückt sich an einen Chrysler Geländewagen, ich bin eng neben ihr.
„Ist doch nur Metallgitter. Sieht man doch durch. Da kann keiner sein. Und Hunde gibt es auch nicht, die wären schon da.“ Sie zieht ein kleines, aber sehr präzises Fernglas aus der Tasche und späht umher. Sie sucht das Gelände sorgfältig ab. Im Bürogebäude scheint kein Licht mehr zu brennen, ich sehe durch das viele Glas nur einen einheitlich schwachen Schein. Nachtlicht für die teuren Autos.
„Wir werden sehen, wo Nebeneingang zum Haus ist“, flüstert Vesna. „Vielleicht jemand war doppelt vergesslich.“
Ich bin inzwischen etwas weniger panisch. Gemeinsam mit Vesna bewege ich mich von Autoschatten zu Autoschatten, wir bleiben so weit wie möglich von der Straßenseite mit ihrem Gitterzaun entfernt. Aber hier geht am späten Abend sowieso kaum jemand vorbei. Nicht nur Oskar ist mutig, ich bin es auch, denke ich, während ich von einem Cabrio zu einem Pick-up husche. Und Vesna ist es sowieso. Da vorne ist schon die Seitenfront des Bürogebäudes. Daneben ein paar Abfallcontainer. Wir verstecken uns hinter einem roten Kleinbus und starren auf die Fenster des Hauses. Jetzt kann uns keiner mehr von der Straße aus sehen. Und von den Büroräumen aus wohl auch nicht. Scheint ohnehin niemand da zu sein. Seltsam, dass Tobler das Gelände gar nicht bewachen lässt. Ich flüstere es Vesna zu. „Hab ich auch schon überlegt“, sagt sie. „Ist kein gutes Zeichen, muss ich sagen. Entweder es gibt eine Art Automafia und er steht so weit oben, dass sich keiner traut, etwas zu stehlen. Wäre für uns momentan aber egal. Oder er hat einfach nur das Gebäude gesichert. Es wird Alarmanlage geben, ich nehme an.“
„Und wie sollen wir dann reinkommen?“, flüstere ich.
„Durch Hintereingang. Fragt sich, ob im Bürotrakt auch Alarmanlage ist. Außerdem ich habe ein Frequenzgerät mit.“
„Ein was?“, frage ich irritiert.
„Kleines Gerät, das Frequenzen von Alarmanlagen erkennt und dann stört. Kann man im Internet kaufen.“
Ich drücke mich enger an den roten Kleinbus. Ich will da nicht rein und testen, ob Vesnas Internetgerät funktioniert. Vesna lauscht. Ich schweige. Ein Scharren. Gibt es hier Mäuse? Ich denke mit Grauen an die tote Ratte, die ich in Evelyns Schuppen berührt habe. Dabei … – Aus dem Nichts, aus dem schwarzen Schatten gewachsen, eine Hand vor meinem Mund. Eine Hand vor Vesnas Mund. Gleichzeitig und lautlos und fest. Eine weitere Hand dreht meinen linken Arm auf den Rücken. Ein Körper an meinem Körper. Ich rieche Schweiß und Motorenöl und billiges Aftershave. Mein Arm brennt. Hat er mir die Schulter ausgekegelt? Keine Chance, mich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Ich versuche mich einfach fallen zu lassen, höllischer Stich in meinem Arm. Ich zapple, stehe wieder auf den Beinen. Den Arm wie im Schraubstock gefangen. Vesnas Angreifer hat sie vom Bus weggezogen. Massiver Schatten, ich höre, dass sie sich zu befreien versucht, ein Ächzen, Scharren, Schaben, ein dumpfer Schlag auf Metall – oder war es Metall gegen Vesnas Kopf? Ich habe den Kampf aufgegeben, er ist sinnlos, wäre mein Mund frei, ich dürfte eigentlich nicht einmal schreien, wir sind es, die hier eingedrungen sind. Durch den Körper hinter mir geht ein Ruck, jetzt werde auch ich vom Kleinbus weggezogen, Kraft wie eine Maschine, ohne jedes Keuchen. Vielleicht ist es das? Überwachungsroboter. Unsinn. Roboter riechen nicht so. Wir werden nebeneinander zum Seiteneingang geschoben. Wenn Vesna es nicht schafft, freizukommen, brauche ich es gar nicht zu probieren. Ganz abgesehen davon, dass das mein Arm nicht aushalten würde. Ich keuche, bekomme kaum noch Luft. Die Tür geht auf. Dahinter ist Licht. Helles Licht. Seltsam, hat man durch die Glasfront gar nicht gesehen. Nur diesen matten Schein. Man stößt uns hinein, Vesna fängt sich, blickt sich gehetzt um. Ich stolpere, falle, merke nur, wie die Tür zugeschlagen wird. Und über mir, mit wütendem Gesicht: Tobler.
Ich rapple mich auf. Die Schulter scheint doch nicht ausgekegelt zu sein. Ich blicke mich zu Vesna um. Die steht da mit verschränkten Armen und starrt Tobler mit einem beinahe ebenso wütenden Blick an. „Da kommt
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