Everlasting
um.
«‹Es sind Pläne gemacht worden?›», äffte er mich nach. «Glauben Sie ernsthaft, Ihre privaten Abenteuer hätten irgendeine Bedeutung für die Wissenschaft?»
«Private Abenteuer? Es war doch mein Auftrag. Sie haben gesagt: ‹Folgen Sie Ihrem Herzen.› Genau das ist geschehen.Und jetzt sagen Sie plötzlich: ‹Schalten Sie’s wieder ab!› Was für ein Spiel spielen Sie hier eigentlich?»
Es war sehr still im Raum geworden. Doc-Doc schenkte sich ein Glas Wasser ein. Das Geräusch schien von den Wänden widerzuhallen.
«Sie schulden mir eine Antwort!», tobte ich.
«Mr. Nordstrom», sagte Doc-Doc und rülpste leise. «Wir wussten schon immer, dass Sie etwas überspannt sind. Aber wir hätten nicht gedacht, dass Sie Ihre hehren Ideale gegen ein triviales Melodram eintauschen. Ihr theatralisches Verhalten können wir nun wirklich nicht gebrauchen. Sie haben dem armen Mr. Ciucurescu Angst gemacht.»
«Theatralisches Verhalten?», donnerte ich. «Das ist Zorn! Das ist Enttäuschung! Das ist Frust!»
«Eben! Wir sind pragmatische Menschen, die Probleme lösen. Sie zu kreieren gehört nicht zu unseren Aufgaben. Schon gar nicht mit Hitzköpfigkeit.»
«Aber dieses Problem haben Sie sehr wohl kreiert!» Ich schlug mir mit der Hand auf die Brust, wo mein Herz wild pochte. «Was geht hier vor?»
Der Professor hob eine Hand und wandte sich an Doc-Doc. «Rirkrit, einen Moment bitte. Vielleicht ist es doch an der Zeit, Mr. Nordstrom einiges zu erklären.»
«Vielleicht?», zischte ich.
Der Professor öffnete den Hemdkragen und lockerte seinen Bolotie. An dem Ding baumelte heute eine Brosche, die einen Rinderschädel im Wüstensand darstellte.
«Der langen Rede kurzer Sinn», begann Professor Grossmann, «‹Projekt Zeit› war die gemeinschaftliche Beteiligung der Europäischen Bibliothek und des Olga-Zhukova-Instituts für Angewandte Physik an einem europaweiten Hochschulwettbewerb, der von dem TripleG finanziert worden ist. Der Wettbewerb trug den Titel ‹Fruchtbarkeit Jetzt!› und sollte als Anreiz dienen, originelle Methoden zu entwickeln, mit denen sich die sinkenden Geburtenraten auf dem Kontinent aufhalten ließen. Wie Sie sehr wohl wissen, Mr. Nordstrom, arbeiten Wissenschaftler in aller Welt fieberhaft an der Verbesserung unserer Klontechnik, eine der aussichtsreichsten Strategien zur Reproduktion der Menschheit. Nun wollen wir das Fruchtbarkeitsproblem jedoch von mehreren Ebenen aus angehen. Ein natürlicheres und weniger kostenaufwendiges Reproduktionsverfahren wäre höchst willkommen. Mademoiselle Moreau, würden Sie bitte unsere Grundthese erläutern?»
Noch immer mied Rouge den direkten Blickkontakt. «Unsere Grundthese lautet», begann sie, «dass zwar die Liebe zwischen Eltern und Kind in den ersten fünfzehn Lebensjahren bis zu einem gewissen Grad in unserer modernen Gesellschaft besteht, dass uns jedoch die Liebe zwischen Mann und Frau – die romantische Liebe, wenn man so will – verlorengegangen ist. Wir vermuten nun, dass diese Liebe – die selbstlose, leidenschaftliche Liebe, um genau zu sein –, die ja in der Vergangenheit eine große Kraft darstellte, auch der Fruchtbarkeit und Reproduktion zuträglich sein könnte. Wenn wir eine Form der romantischen Liebe aus der Vergangenheit in unsere Zeit holen könnten – mit Hilfe von Zeitreisen, beispielsweise über einen Träger –, so könnte dieser Träger die Menschen hier mit einem, nennen wir es mal, ‹Liebeskeim› infizieren. Dieser –»
«Es handelt sich nicht um eine Infektion im herkömmlichen medizinischen Sinne», warf Yuka Shihomi ein, «aber wir hofften, dass sich dieser sogenannte Keim wie ein Virusdurch menschlichen Kontakt rasch ausbreiten und im Idealfall zu einem fortpflanzungsfreundlicheren Klima in den infizierten Körpern führen würde.»
«Danke für deinen Beitrag, Yuka», sagte Rouge mit einem eisigen Lächeln. Sie wandte sich mir wieder zu. «Wir gehen davon aus, dass unsere Welt und alle unsere physischen Systeme miteinander verbunden und verschränkt sind und dass sie sich auf tiefen emotionalen Ebenen gegenseitig beeinflussen können. Man spricht von Entanglement. Mit anderen Worten: Der Körper eines Menschen kann positiv reagieren, wenn er den starken Emotionen eines anderen Menschen ausgesetzt wird. Diese emotionale Energie, insbesondere die der Leidenschaft – wir sprechen in dem Zusammenhang von Liebeswellen oder
Unduli amoris
–, interagiert mit unseren Körpern und
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