Everlasting
sechs Uhr war ich hellwach, also bin ich einfachaufgestanden und losgelaufen. So früh am Morgen ist der Kurfürstendamm richtig schön. Es sind kaum Autos unterwegs. Ich laufe bis zur Uhlandstraße, dann rüber auf die andere Straßenseite und wieder zurück. Macht mich wach.
Donnerstag, 21. Juni 2007
Ich lerne fleißig für die Klausuren, damit ich die Elfte nicht wiederholen muss. Habe viel verpasst, während ich in Teaneck war, aber ich glaube, ich schaffe das. Robert ist übrigens jetzt offiziell Abiturient. 1,4! Kein Witz!
Samstag, 23. Juni 2007
Ich fass es nicht!
Ich dreh durch! Wahnsinn! Unglaublich! Das kann nicht wahr sein! Aber es ist wahr! Hilfe!
Ahhhhhhhhhhhh!
Acht Ausrufungszeichen? Was mochte passiert sein?
Du wirst nicht glauben, wem ich gestern Abend in der Gold Bar über den Weg gelaufen bin! Sam Maarten!
Oh nein. Jetzt schon? Finn hatte damit gerechnet, dass Sam der Widerliche irgendwo in diesem Tagebuch auftauchen würde, aber so bald schon?
Und er hat sich an mich erinnert! Er wusste sogar, welchen Satz ich in «Frank und Franzi» sprechen musste. Weißt du noch? «Es ist schon spät, komm, wir gehen!» Es war echt lustig. Wir haben uns vorne an die Bar gesetzt, und er hat einen Schluck von seinem Bier getrunken und gesagt: «Es ist schon spät, komm, wir gehen!» Und dann habe ich einen Schluck von meinem Wein getrunken und gesagt: «Es ist schon spät, komm, wir gehen!» Irgendwann war es dann wirklich spät, also habe ich Mama eine SMS geschickt und gesagt, ich würde bei Johanna schlafen. Und dann hat Sam einen Schluck Bier getrunken und mich geküsst. Und dann habe ich einen Schluck Wein getrunken und ihn geküsst. Und als wir das so eine Weile gemacht hatten, hat Sam gesagt: «He, weißt du was? Es ist schon spät, komm, wir gehen!» Diesmal war es tatsächlich relativ spät. Also sind wir gegangen.
Und dann haben wir’s gemacht.
Wie hätte ich da nein sagen können? Ich meine, es war Sam Maarten!
Rate mal, wer heute Morgen um sechs nicht joggen gegangen ist. Räusper.
Finn musste nicht mal drüber nachdenken. Es war ein Reflex. Er pfefferte das Heft mit so viel G-Kraft , wie er aufbieten konnte, quer durchs Zimmer. Es segelte durch die Luft und krachte im Wintergarten auf die Koriander- und Basilikumtöpfe, die prompt zu Boden fielen. Es war wirklich eine gehörige Menge G-Kraft .
Einen Moment später empfing Magda die Magd-NY-F I-Nord 7 im Untergeschoss ein SOS vom Kontrollsensor im Wintergarten. Sie eilte zur Unfallstelle.
Später holte Finn das Tagebuch von der Küchentheke, wo Magda es netterweise deponiert hatte, goss sich ein Glas Wein ein, dann zwei weitere, und schlief schließlich ohne sich auszuziehen auf der Couch im Wohnzimmer ein.
Es sprach für Eliana, dass sie, was ihr Sexleben betraf, nicht sehr ins Detail ging. Dafür war Finn ihr dankbar. Klar, sie erwähnte Dates mit Sam und was sie anhatte (oder nicht anhatte), wen sie so alles kennenlernte, wenn sie mit ihmunterwegs war, was sie speisten, und dass sie bei Sam «übernachtet» hatte – es fiel Finn schwer genug, das zu lesen –, aber solange er nicht wieder über Formulierungen wie «und dann haben wir’s gemacht» nachgrübeln musste, konnte er immerhin weiterlesen und übersetzen. Einmal jedoch, Mitte Juli 2007, nachdem die Schule zu Ende war und sie alle Klausuren bestanden hatte, erwähnte sie, wie es war, Sam den Widerlichen zu küssen. Zu Finns Entzücken war es ein negativer Kommentar:
Ich hab’s allmählich satt, einen Aschenbecher zu küssen. Und das habe ich ihm auch gesagt. Und er hat versprochen, mit dem Rauchen aufzuhören.
Wie sich herausstellte, hörte Sam tatsächlich auf zu rauchen, aber da Eliana nie wieder von seinen Küssen sprach, kam Finn zu dem Schluss, dass die beiden in letzter Zeit wenig dazu gekommen waren oder dass der Schauspieler wie alle Jungen und Männer in Elianas Leben im Fach «Küssen» keine gute Note verdiente.
Finn las weiter. Seite für Seite. Eliana schrieb ausführlich über eine dreiwöchige Kreta-Reise mit den Drei Js; im August berichtete sie vom Familienurlaub in Wustrow, auf Fischland-Darß, wo Sam mit Roberts Freundin Lisa flirtete, was Eliana erboste, aber sie vertrugen sich wieder. Die Schule begann wieder.
Je näher er dem Datum seiner eigenen Ankunft kam, dem 1. Oktober, desto nervöser wurde er. Der September war fast vorüber. Dann kam und ging der 30. September. Er atmete tief ein
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