Everlasting
alles?»
«Sie wirken ein wenig indisponiert.»
Finn zuckte die Achseln. «Die Heimreise war etwas unruhig.»
«Auch daran arbeiten wir. Atmosphärische Störungen.» Der Professor lächelte zuversichtlich. «Sie dürfen jetzt nach Hause.»
Daheim im Rubik starrte Finn in den Spiegel und inspizierte das einzelne Haar an seinem Kinn. Er wackelte mit der Zeigefingerspitze daran, so wie Eliana das getan hatte. Die Erinnerung zerriss ihm fast das Herz. Aber er hatte ja gewusst, dass es heikel werden würde. Sie hatten ihn gewarnt.
Später lag er im Bett, litt und fragte sich, wie lange so ein Schmerz wohl dauern würde.
Als er am nächsten Morgen aufwachte, war der Schmerz immer noch da.
Und auch noch am übernächsten Tag.
Und am Tag darauf.
Im Schlaf, in seinen Träumen, vergaß er den Schmerz manchmal. Da lächelte sie zu ihm hoch, golden, ihre Augen so tief und dunkel wie eine Lagune. Und er empfand ein solches Glücksgefühl, dass er noch nach dem Aufwachen vor Freude weinte.
Doch dann hörte er den Sani-Trockner nebenan im Bad, das
wusch-wusch-wusch
, oder das Prasseln des Aprilregens gegen das Fenster oder die Staubsaugergeräusche von Joe-Joe dem Hausmeister, und er wusste, dass er sich getäuscht hatte. Er war allein. Furchtbar allein. Und Eliana war ihm entglitten.
Sein unerfahrenes Herz begann von neuem zu schmerzen.
Wie lange noch? Wie lange?
Es war irrational. Das wusste er. Er hatte nicht mal das Recht, sie zu lieben. Was konnte er ihr denn schon bieten?Nichts. Hatten sie eine gemeinsame Zukunft? Nein. War er ein guter Liebhaber? Bestimmt nicht. Er hatte ihre Hand mit den eingerissenen Nagelhäutchen geküsst! Was für eine erbärmliche Demonstration von Leidenschaft.
Seine Freunde machten sich Sorgen um ihn. Rouge natürlich. Severin und Yolanda aus seiner PA D-Einheit . Sogar JoeJoe schien in seiner Nähe nur noch auf Zehenspitzen zu gehen – nicht leicht für einen Roboter, selbst für einen der neusten Generation. Niemand wusste, was mit Finn los war.
Renko versuchte, ihm mit einem Geschenk aufzumuntern. «Wir haben es!», meldete er stolz. «Das Zelluloid ‹Die Legende von Frank und Franzi›! Es war in der Forester-Kolonie im Bayrischen Wald.»
Aber kaum lief das Zelluloid, erkannte Finn – o Graus! –, dass der Protagonist, Frank der Fabelhafte, in Wahrheit Sam der Widerliche war, Sam der lächerlich attraktive Verhinderer jeglicher Chance, dass Eliana je wieder an ihn, Finn, denken würde. Oder – Finn versuchte, das Ganze sachlich zu betrachten – Sam war der Verhinderer jeglicher Chance, dass Eliana je wieder an Finn gedacht hatte, ehe sie starb, vor wer weiß wie vielen Jahren.
Finn wurde von einem so heftigen, fiebrigen, ihm unbekannten Gefühl erfasst, dass er Hildburg die Haushälterin bat, ihm doch bitte schnellstmöglich eine eiskalte Kompresse zu bringen.
Und als er sich etwas beruhigte, wusste er, das Gefühl musste das sein, was man früher als «Eifersucht» bezeichnet hatte.
Später cloppte er den Schauspieler. Sam Maarten war 2012 im Alter von 27 Jahren nach Hollywood gegangen. Doch danach war es mit seiner Karriere bergab gegangen,sodass er schließlich nur noch in Softpornos Ausländer mit Akzent nachsynchronisierte. Gut so!, dachte Finn.
Da wusste er, das Gefühl musste das sein, was man früher als «Schadenfreude» bezeichnete.
Vor allem aber fühlte er sich tief unglücklich. Zu Tode betrübt. Finn fuhr nach Fire Island und saß dort stundenlang draußen am Strand. Die Tage wurden allmählich wärmer. Nachts leuchteten die Sterne klar. Aber sie brachten ihm keinen Trost.
Und er wusste, das musste das sein, was man früher als «Liebeskummer» bezeichnete.
Dann traf eines Morgens ein Päckchen ein. Es war Elianas zweites Moleskine ® .
Finn war vor Schreck wie gelähmt.
Er erwog ernsthaft, es nicht zu lesen.
Aber ihm war klar, dass er es lesen würde. Aus rein wissenschaftlichem Interesse selbstverständlich.
Er schlug das Tagebuch auf.
Sonntag, 17. Juni 2007
Jetlag. Zzzzz.
So weit, so gut, dachte Finn. Sie war frisch aus Nordamerika zurück. Er würde ihr in der Staatsbibliothek erst dreieinhalb Monate später, am 1. Oktober, begegnen.
Dienstag, 19. Juni 2007
Bin froh, wieder zu Hause zu sein, wo man alles zu Fuß erreichen kann. Das Einzige, was man in Teaneck zu Fuß erreichen konnte, war das Auto, das vor dem Haus stand.
Ich habe mit Joggen angefangen. Mein Schlafrhythmus ist noch total durcheinander. Um
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