Everlasting
Ordnung.
Sie hörten Schritte auf der Wendeltreppe.
«Eliana!», rief Rudi von unten. «Besuch für dich. Er kommt jetzt hoch!»
Rudi Lorenz’ Stimme klang angespannt, dachte Finn. Als wollte er sie warnen.
Und ehe Finn noch umdrehen konnte, war ein junger Mann aufgetaucht.
«Überraschung!», sagte der Ankömmling und schlang die Arme um Eliana. Er hob sie hoch in die Luft, wirbelte sie herum und gab ihr einen dicken, fetten, feuchten Schmatz fest auf den Mund. Richtig laut und ordinär. Fast wie ein Furz.
«Sam», sagte Eliana atemlos, während sie versuchte, sich aus seinem Klammergriff zu befreien. «Lass mich runter! Du drückst mir ja die Luft ab!»
Er gab ihr noch so einen Schmatzer und stellte sie dann wieder hin, den Arm um ihre Schultern gelegt.
Eliana konnte Finn kaum noch ansehen.
Finn konnte sich nicht erinnern, je in seinem Leben jemanden gehasst zu haben, aber jetzt wusste er, dass er unter den richtigen Voraussetzungen, und die waren in diesem Moment nun wirklich gegeben, durchaus imstande wäre, einen Menschen zutiefst zu verabscheuen. Sam hieß dieses absurd attraktive Exemplar eines jungen Mannes. Sam der Widerliche.
«Sie haben mir zwei Tage frei gegeben!», sagte Sam der Widerliche zu Eliana. «Hast du vielleicht für heute Nacht ein Plätzchen für mich?» Er knutschte ihr den Hals ab.
Finn glaubte, sich gleich übergeben zu müssen. Oder vom Dach zu fallen.
«Finn», sagte Eliana. «Das ist Sam.»
Sam trat vor. Die beiden jungen Männer gaben sich die Hand.
Eliana sah Finn an. «Sam ist ein Bekannter von mir. Er ist … ähm … er dreht gerade einen Film in München.»
«Du bist Amerikaner, hab ich gehört», sagte Sam. «Aus New York.»
Finn antwortete nicht. Er hatte Angst, seine Stimme könnte überschnappen.
«He», redete Sam der Widerliche ungerührt weiter, «können Elli und ich bei dir wohnen, wenn wir im Juni in New York sind? Ich spendier ihr die Reise zu ihrem achtzehnten.»
Elli?
, dachte Finn. Sie mag es nicht, wenn man Elli zu ihr sagt.
Sam wandte sich an Eliana. «Spricht der Typ nicht? Dein Vater hat gesagt, er kann Deutsch.»
«Sam, bitte sag nicht Elli zu mir», sagte Eliana. «Und natürlich spricht Finn Deutsch. Wenn du –»
Sam der Widerliche warf Finn einen herablassenden Blick zu, dann sagte er zu Eliana, «Sieht nicht so aus, als würde er mich ver –»
«Finn?», rief Rudi Lorenz. Er war in der Tür erschienen und räusperte sich. «Rouge Moreau hat gerade angerufen. Sie hat gesagt, du gehst nicht ans Handy. Ich fürchte, Robert hat aus Versehen was an den Einstellungen geändert. Sie sagt, du möchtest jetzt bitte kommen. Sofort. Es sei dringend.»
Er nickte und sah dann Eliana an. Sie und Sam standen noch immer so da, sein Arm um sie gelegt.
«Ich muss gehen», sagte Finn.
«Ich bring dich noch zur Tür», sagte Eliana und ließ Sam stehen.
Finn ging eilig die Treppe hinunter. Heikel, musste er immer wieder denken. Genau das haben sie mit heikel gemeint. Heikel, heikel, heikel.
An der Tür drehte er sich zu Eliana um. Sie war sichtlich aufgewühlt.
Sam war ihnen nach unten gefolgt und hantierte an seinem Koffer herum.
«Es tut mir so leid», flüsterte Eliana. «Wirklich … . Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll.»
«Üblich wäre Lebwohl», brachte Finn mühsam hervor.
Den Satz hatte Finn in einem Zelluloid aufgeschnappt. In welchem? Doch dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss, und er musste seine ganze Energie darauf konzentrieren, nicht zusammenzubrechen.
17 Atmosphärische Störungen
Rouge wusste sofort, dass irgendwas nicht stimmte. Finn war nicht mal daran interessiert, etwas über das Erotik-Museum zu hören. «Hast du denn nicht mal ein
akademisches
Interesse daran?», fragte sie.
Hatte er nicht.
Die Heimreise ins Berlin des Jahres 2265 war turbulent, aber Finn nahm es kaum wahr. Eliana liebte einen anderen. Nichts konnte schlimmer sein als das.
Professor Grossmann und seine Assistentin Dr. Yuka Shihomi machten die Standardkontrolltests. Sie maßen Finns Blutdruck und seine Größe, luden seine Erinnerungen herunter, überprüften seinen Muskeltonus und spähten ihm in die Ohren. «Und wie geht’s Ihnen gefühlsmäßig? Sie sind, hoffen wir, ihrem Herzen gefolgt?», wollte der Professor von Finn wissen.
«Sir, bei diesen Budgetkürzungen war es uns kaum möglich, uns ein Sirloin-Steak zu gönnen», entgegnete er knapp.
«Wir arbeiten daran.»
Finn stand auf. «Wäre das dann
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