Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)
dem Haupteingang suchen. Die Schule ragt hoch vor uns empor, das Hauptgebäude eine Rotunde mit viel Glas. Ich frage mich, ob es Kailey hier gefallen, ob sie sich auf den Klatsch mit ihren Freundinnen zwischen den Stunden gefreut hat, oder ob sie ihre Zeit damit verbracht hat, aus dem Fenster zu starren und die Stunden zu zählen, bis sie wieder frei war. Ich bin nie zur Schule gegangen. Meine Eltern hatten Hauslehrer für mich engagiert, als ich jung war; alles, was ich sonst weiß, habe ich von Cyrus gelernt.
Noah parkt neben einem grünen Volvo mit einem Aufkleber der Mädchenschwimmstaffel der Schule auf dem Stoßdämpfer und schaltet den Motor aus. Bryan klappt seinen Sitz nach vorn, um mich aussteigen zu lassen, und dann stehe ich im blendenden Sonnenlicht.
»Wir sehen uns dann in Bio«, ruft Noah und eilt Richtung Schule, wobei er sich ein Buch über den Kopf hält.
Bryan blickt mich erwartungsvoll an, und ich folge ihm über den Parkplatz. »Bis später«, sagt er, als wir einen überdachten Gehweg erreichen.
Ich sehe ihm nach, wie er davongeht, Freunden zunickt und sie mit ausgestreckter Handfläche begrüßt. Er hat dasselbe unbeschwerte Lachen wie Kailey, dieselbe Lebhaftigkeit und Fröhlichkeit, die ich auf ihren Fotos wahrgenommen habe. Zweifellos wird der Tod seiner Schwester ihn verändern.
Es ist an der Zeit. Mein Herz schlägt so laut, dass die anderen um mich herum es hören müssen.
»Leb wohl, Bryan«, flüstere ich und laufe gegen den Strom der eintreffenden Schüler zurück zum Parkplatz, nachdem ich mich versichert habe, dass mich niemand beachtet.
Ich versuche, mich ganz normal zu geben, und vermeide jeden Augenkontakt. Als ich um die Ecke biege und außer Sichtweite der Schule bin, renne ich so schnell ich kann zur BART-Station und zu dem Zug, der mich in die Nähe des Jack London Square bringen wird. Dort muss ich dann entscheiden, wie es weitergehen soll.
Kapitel 13
I n Downtown Oakland steige ich aus dem Zug, und als ich auf den Jack London Square zugehe, umgibt mich der Geruch nach brackigem Wasser und verfaulendem Gemüse. Tagsüber ist die Gegend deutlich belebter – Lieferwagen parken vor den Ladedocks, Männer schleppen Kisten mit Melonen, Touristen bahnen sich vorsichtig einen Weg zum Wasser. Die Sonne hat die Wolkendecke durchbrochen und wärmt meinen Scheitel, und überraschenderweise ertappe ich mich bei einem Lächeln. Es ist so lange her, dass ich etwas anderes als Kälte gefühlt habe.
Ich beschleunige meinen Schritt, je näher ich den Docks komme. Bald kann ich schon die Bar erkennen, in der ich Taryn gesehen habe. Bei Tageslicht sieht der Laden heruntergekommener aus als in der Nacht. Die Farbe blättert in langen Streifen von der Fassade, und das Sonnenlicht dringt nicht durch die mit einer dicken Staubschicht bedeckten Fenster. Gleich hinter dem Gebäude sind die Seitenstraße, in der ich mein Auto geparkt habe, und der Kran, auf dem ich in meiner grenzenlosen Dummheit die Tasche vergessen habe.
Als ich die Kreuzung erreiche, stelle ich mit Erschrecken fest, dass ein Streifenwagen etwa fünfzehn Meter von mir entfernt am Randstein parkt. Ich bleibe wie erstarrt stehen, das Blut weicht mir aus dem Gesicht. Rational gesehen hat die Polizei keinen Grund, nach mir zu suchen – nach Kailey, besser gesagt –, aber trotzdem. Vor meinem inneren Auge sehe ich ein riesiges Schild über meinem Kopf mit der Aufschrift »MÖRDERIN«.
Du hast versucht, sie zu retten!, rufe ich mir in Erinnerung und zwinge meine Füße, normal weiterzugehen. Plötzlich richten sich die Härchen in meinem Nacken auf, als ob mich jemand beobachtet, aber ich drehe mich nicht um, auch wenn ich mir sicher bin, dass mir der Officer folgt. Stattdessen gehe ich schneller, laufe schon fast. Ein rascher Blick in den Seitenspiegel eines geparkten Autos bestätigt meine Vermutung – der Streifenwagen folgt mir langsam.
Ich husche in eine Gasse und verstecke mich im Eingang einer Gewerbegarage, halte den Atem an und hoffe inständig, dass der Cop vorbeifahren wird. Tatsächlich, er bleibt nicht stehen, und ich atme erleichtert aus.
Da legt sich eine Hand auf meine Schulter. »Brauchst du etwas?«
Das Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich herumwirbele und ein schmallippiger Bauarbeiter vor mir steht. »N… nein«, stottere ich und laufe wieder einmal weg.
Als ich die Seitenstraße erreiche, in der ich meinen Wagen geparkt habe, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Braune Flecken sind auf dem
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