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Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)

Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)

Titel: Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Avery Williams
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Irgendetwas getan, was so gar nicht ihrem Charakter entspricht?« Er lehnt sich nach vorn, beobachtet mich unablässig.
    Ich zwinge mich zu einer gefassten Miene, sehe hinüber zum Fenster und tue so, als würde ich intensiv nachdenken. »Na ja, Nicole war in letzter Zeit extrem empfindlich. Aber ich glaube nicht, dass sie einen Unfall hatte.«
    »Nicole?«, fragt er und überfliegt den Sitzplan.
    »Nicole Harrison.« Ich deute auf den Namen. »Langes, dunkles Haar, sitzt genau hinter mir.«
    »Langes, dunkles Haar«, wiederholt er, und sein Gesicht hellt sich auf. »Ja, ich erinnere mich. Danke, Kailey, du hast gut daran getan, es mir zu sagen. Vielleicht ist es nichts weiter, aber ich könnte es nicht vor mir verantworten, einer Schülerin nicht geholfen zu haben.«
    Kurz durchzucken mich Schuldgefühle, weil ich Nicoles Namen ins Spiel gebracht habe, aber Cyrus wird schon bald merken, dass sie nur eine ganz normale Schülerin ist. Jedenfalls wird es ihn erst einmal beschäftigen, und Zeit ist das, was ich gerade brauche, um ihn von meiner Spur abzubringen.
    Ich werfe einen Blick auf die Uhr an der Wand hinter ihm, doch irgendetwas stimmt damit nicht, weshalb ich Kaileys iPhone hervorhole. »Es tut mir leid, ich muss jetzt gehen«, sage ich mit einem entschuldigenden Lächeln. »Ich komme sonst zu spät zu Englisch.«
    Einen Moment lang sagt er nichts, dann kichert er mit einem Blick auf mein Handy. »Ist es nicht seltsam, dass wir mit diesen Geräten die Zeit im Blick behalten? Keiner trägt heutzutage mehr eine Armbanduhr. Du aber normalerweise schon, oder?«
    Eine komische Frage. Als ich auf Kaileys Handgelenk blicke, sehe ich jedoch einen schmalen hellen Streifen auf der sonnengebräunten Haut.
    »Ich muss jetzt wirklich los«, wiederhole ich.
    »Natürlich, natürlich. Bitte geh zum Englischunterricht. Noch einmal vielen Dank für deine Hilfe.«
    Ich nicke, nehme meinen Rucksack und steuere auf die Tür zu. Im Rücken spüre ich seinen Blick. Ich warte, bis ich im sicheren Flur stehe, ehe ich ausatme.

Kapitel 25
    D en Rest des Tages verbringe ich wie im Nebel, mache Fehler in Trigonometrie und höre meinen – Kaileys – Namen nicht, als ich in Geschichte aufgerufen werde. Als Noah mich nach der Schule nach Hause fährt, fragt er mich, ob wir einen Spaziergang durch das Viertel machen wollen. Ich lehne ab und behaupte, dass ich noch lernen müsse. Er versucht, es zu verbergen, doch ich merke, dass er verletzt ist. Aber ich kann jetzt nicht mit ihm zusammen sein. Ich kann mit niemandem zusammen sein.
    Ich gehe direkt in Kaileys Zimmer und schließe die Tür. Cyrus weiß zwar noch nicht, wer ich bin, allerdings wird er es schon bald herausfinden. In jedem Fall muss ich schnellstens abhauen. Heute Nacht schon. Ich ziehe eine Tasche unter Kaileys Bett hervor und beginne mit zitternden Händen, für die Flucht zu packen, werfe wahllos Kleider hinein. Dann halte ich inne – was ich am dringendsten für die Flucht brauche, habe ich nicht. Keinen falschen Ausweis, kein Handy. Ich kontrolliere den Inhalt meines Portemonnaies: hundertsechzig Dollar, die ich im Antiquitätenladen verdient habe.
    Kailey muss doch irgendwo noch Geld haben, denke ich mir und durchforste das Zimmer. Unter ihrem Bett finde ich zufällig ein paar Zwanziger, und in einer kleinen Schachtel, die in ihrem Schrank versteckt ist, knacke ich den Jackpot. Zusammen mit einigen Geburtstagskarten ihrer Großeltern bewahrt sie dort auch einige zusammengerollte Geldscheine auf – dreihundertsechzig Dollar insgesamt. Kurz frage ich mich, worauf Kailey wohl gespart hat, wahrscheinlich auf Malutensilien. Oder es hat etwas damit zu tun, weswegen sie in der Nacht ihres Todes am Jack London Square war.
    Das Geld wird nicht lange reichen, aber es ist genug, um von hier wegzukommen. Aus einem Impuls heraus nehme ich das gerahmte Foto von Noah und Kailey von der Kommode. Als mir klar wird, dass ich ihn nie wiedersehen werde, wird mir die Kehle eng, und Tränen steigen mir in die Augen. Ich lasse mich auf Kaileys Bett fallen und weine, tränke die Seide und färbe sie dunkelgrün. All die Tränen fließen aus mir heraus, die ich mir sonst immer versagt habe, all die Tränen, die sich seit der Nacht, als ich vor Cyrus geflüchtet bin, angestaut haben, all die Tränen der Einsamkeit, der Angst, des Verlorenseins. Ich weine um Noah, den Jungen, der jahrelang Kaileys guter Freund war, der sich in sie – in mich – verliebt hat, der sie morgen verlieren wird.

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