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Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)

Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition)

Titel: Everlight: Das Buch der Unsterblichen. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Avery Williams
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mit einem bestätigenden Nicken hin. Ab da gebe ich es auf, mich selbst umzuschauen, sondern folge Kaileys Mutter und vertraue ihrem Urteil, bis mein Arm voller Kleider ist.
    »Sonst weist du doch immer alles zurück, was deine Mutter dir vorschlägt?«, fragt sie spielerisch.
    »Du erinnerst dich sicher noch daran, als ich die lila Haare hatte?«, frage ich zurück. »Das war allein meine Wahl.«
    »Gutes Argument«, antwortet sie.
    Eine Verkäuferin schickt mich in eine Umkleidekabine, während Mrs. Morgan davor auf einem Damastsofa unter einem funkelnden Leuchter wartet. Ich ziehe ein tiefgrünes Top an, das am grau bestickten Ausschnitt sanft gerafft ist. Plötzlich funkeln Kaileys Augen lebendig. Ich trete aus der Kabine und führe Mrs. Morgan das Top vor.
    Sie nickt mit einem zufriedenen Grinsen. »Ich wusste, dass es dir steht«, sagt sie.
    Als Nächstes ist ein dunkelrotes Kleid dran, das ein wenig altmodisch aussieht, mit Flügelärmeln und Taschen in dem weiten Rock.
    Als ich aus der Kabine trete, runzelt Mrs. Morgan die Stirn. »Ich glaube, du hast es am Rücken nicht richtig gebunden«, sagt sie und tritt hinter mich, um die Schärpe zu richten.
    Ich beobachte sie im Spiegel. »Mom?«
    »Ja?« Sie nestelt weiter an dem Kleid.
    »Wie war eigentlich dein Verhältnis zu deiner Mutter?«
    Sie blickt überrascht auf und sieht mir im Spiegel in die Augen. »Oh, na ja. Du kennst die Geschichte doch.« Endlich hat sie das Kleid richtig gebunden. »So, dreh dich mal.« Ich folge ihrer Aufforderung. »Hmm«, grübelt sie. »Nein, ich glaube, das Kleid ist nichts. Wenn deine Mom es dir zubinden muss, dann ist es zu kompliziert.«
    Als ich auf die Umkleidekabine zugehe, drehe ich mich noch einmal um. »Erzählst du sie mir bitte noch einmal? Die Geschichte von deiner Mutter?«
    Sie blinzelt und sieht zum Fenster. »Das ist lange her.« Ich warte schweigend. »Okay, Kailey. Wie du weißt, bin ich mit sechzehn daheim ausgezogen. Aber ich habe dir nie erzählt, dass ich weggelaufen bin. So habe ich es damals auch nicht gesehen – ich habe mit meinen Freunden nur eine Reise gemacht. Meine Eltern waren so streng, sie hätten es mir nie erlaubt. Deshalb bin ich einfach gegangen.«
    Ich setze mich neben sie auf das Sofa, während sie ihr Spiegelbild in dem deckenhohen Spiegel betrachtet.
    »Ich war jung. Ich wollte Amerika sehen. Ich wollte raus aus Milwaukee.« Sie dreht sich zu mir. »Doch mir war nicht klar, dass meine Mutter schier verrückt wurde vor Angst um mich. Sie dachte, ich sei tot. Sie hat mich bei der Polizei als vermisst gemeldet, alle mussten nach mir suchen.«
    »Und dann?«, frage ich leise.
    »Während ich weg war … starb sie. Sie hatte ein Aneurysma im Gehirn. Sie hat nie erfahren, dass es mir gutging.« Mrs. Morgan streicht mir eine Haarsträhne hinters Ohr. »Deshalb habe ich dir immer so große Freiheiten gelassen. Vielleicht war es nicht die beste Entscheidung.« Ihre graugrünen Augen glänzen vor zurückgehaltenen Tränen, und auch ich spüre, wie meine Augen feucht werden.
    »Brauchen die Damen Hilfe?« Die Verkäuferin klingt enervierend fröhlich.
    »Wir kommen zurecht, danke«, antwortet Mrs. Morgan.
    Ich stehe ungeschickt auf. »Ich ziehe mich mal um.«
    Als ich meine eigenen Sachen wieder anziehe, überkommt mich tiefe Trauer. Mütter und Töchter. Gibt es eine zwischenmenschliche Beziehung auf der Welt, die komplizierter ist? Ich will Mrs. Morgan nicht verletzen. Die Tatsache, dass ihre Tochter bereits tot ist und sie nichts ahnt, zerreißt mir das Herz. Auch wenn ich weiß, dass es nur die Fortführung einer Phantasie ist, will ich sie so lange wie möglich glücklich wissen.
    Versuche ich nur, Buße für meine Vergangenheit zu tun? Für den Schmerz, den ich meiner eigenen Mutter zugefügt habe? Ich weiß es nicht. Ich kann nur an Cyrus’ selbstzufriedenes Grinsen denken.
    Mrs. Morgan bezahlt für die Kleidung. Im Freien senkt sich leises Novemberzwielicht über die Geschäfte und Restaurants.
    »Danke«, sage ich.
    »Keine Ursache«, antwortet sie. »Wir sollten langsam heimfahren.«
    Ich denke zärtlich an sie und will sie beschützen, als wir zurück zum Auto gehen. Völlig in Gedanken versunken, höre ich erst nicht, dass jemand Kaileys Namen ruft. Mrs. Morgan bleibt stehen und blickt sich neugierig um. Ich folge ihrem Blick und sehe das nur allzu vertraute platinblonde Haar.
    Cyrus sitzt an einem der Tische vor einem schicken Café. Ein halb ausgetrunkener Cappuccino

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