Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht
schiefen weißen Zähnen.
»Ich will das schon so lange … seit so vielen Jahren, aber zuerst, bevor wir das tun, muss ich wissen …«
Ich warte fast atemlos auf seine Frage.
Und hätte nie damit gerechnet, dass er sagt: »Warum ich? Warum jetzt ?«
Ich blinzele und weiche zurück. Der Reiz, die Anziehungskraft, die noch vor einer Sekunde so unwiderstehlich schien, lässt merklich nach. Nur eine leise Spur davon ist noch vorhanden, als ich den Kopf schüttele und antworte: »Ich weiß nicht, was du meinst.«
Ich lasse sein Hemd los und sehe zu, wie ein kleiner Stofffetzen zu Boden fällt, als ich mich von ihm löse.
Doch er will mich nicht loslassen. Er umfasst meine Hände und hält sie fest in seinen. »Ich habe gemeint, was ist passiert ? Was ist es, das sich zwischen Damen und dir so verändert hat, dass du überhaupt auf die Idee kommst, mich in Betracht zu ziehen?«
Ich hole tief Luft, nehme seine Hände und schlinge meine Finger um seine, wobei sein Handgelenk das kristallbesetzte Armband berührt, das mir Damen an dem Tag auf der Rennbahn geschenkt hat, und als ich mich diesmal von ihm entfernen will, gelingt es mir. Mein Atem geht allmählich wieder langsamer, und mit jedem Schritt, den ich zwischen uns lege, verblasst Judes Zauber mehr.
Natürlich hat er eine Antwort verdient, und ich kann ihn auf keinen Fall einfach so stehen lassen, also hole ich erneut Atem und sage: »Ich habe etwas entdeckt. Etwas über die Vergangenheit … etwas, das …« Ich räuspere mich und beginne noch mal, nun mit festerer, sichererer Stimme. »Etwas, das er sehr lange vor mir verborgen gehalten hat.«
Jude sieht mich ohne das geringste Erstaunen an. Er hat schon mehr als einmal auf Damens Geheimnisse angespielt. Auf seine Unfähigkeit, fair zu kämpfen, vor allem, wenn er um mich kämpft. Doch dann hat er zu Damens Verteidigung für sich das Gleiche zugegeben. Ja, er hatte sogar ein derart schlechtes Gewissen, derartige Schuldgefühle, dass er allen Ernstes beschloss, eine Zeit lang in den Hintergrund zu treten, damit ich unbeeinflusst selbst meine Wahl treffen konnte.
Und das habe ich getan.
Ich habe ihn gewählt. Damen.
Für mich war es nie eine Frage. Von dem Moment an, als ich ihn kennen gelernt habe, hatte ich nur noch Augen für ihn.
Doch was, wenn ich mich geirrt habe?
Was, wenn mir die ganze Zeit Jude zugedacht war?
Ich meine, er ist in allen meinen Leben an meiner Seite gewesen – auch in dem Leben, von dem ich erst kürzlich erfahren habe. Dennoch ist er immer der Verlierer, derjenige,
der ausgelöscht wird. Immer derjenige, der am Ende allein dasteht.
Doch was, wenn es nie so geschehen sollte?
Was, wenn ich die ganze Zeit so gefangen, so eingelullt von Damens Zauber war, dass ich jedes Mal die falsche Wahl getroffen habe?
Warum finden wir immer wieder zueinander? Etwa, damit wir noch eine Chance haben, es richtig zu machen – und nach all der langen Zeit endlich zusammen zu sein?
Ich starre Jude an. Er ist hypnotisierend. Nicht in der gleichen Weise, wie es Roman war mit seinem glatten, blonden Glamour – und auch nicht so wie Damens dunkle, sexy Kribbelhitze. Nein, Jude ist mehr der verträumte, coole Typ – von außen betrachtet scheinbar ganz normal, aber tief in ihm drinnen steckt so viel mehr.
»Ever …«, beginnt er, und auf seiner Miene zeichnet sich ab, dass er mich einerseits am liebsten packen und küssen würde, während er andererseits Zurückhaltung demonstrieren und zuerst mit mir reden möchte. »Ever, was hast du gesehen? Was war es, das so schlimm war, dass es dich zu mir gezogen hat?«
Und die Art, wie er das sagt, sich seiner jahrhundertealten Stellung als der Verschmähte so vollkommen bewusst, lässt mich tiefes Mitleid mit ihm empfinden.
Ich wende mich ab, betrachte die Tribüne, den abgeschabten Holzfußboden, das Basketballnetz mit dem Loch in der Seite, während ich warte, dass die Reste seiner Anziehungskraft sich verflüchtigen und Logik und eine lange Fragenliste an ihre Stelle treten können.
Fest entschlossen, offen und freimütig zu sein, nur die Fakten aufzuzählen und zu sehen, wie weit wir damit kommen, wende ich mich wieder zu ihm um. »Vor Kurzem hast
du irgendwie …« Ich schüttele den Kopf. »Nein, nicht irgendwie . Du hast ganz eindeutig darauf angespielt, dass du ein Geheimnis über unsere gemeinsame Vergangenheit kennst. Das war, nachdem du zum ersten Mal in den Großen Hallen des Wissens gewesen bist und alles an dir verändert schien. Als
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