Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht
hat, uns zu zerstören – das hat sie eindeutig klargemacht. Und täusch dich nicht – sie kann uns zerstören, Jude. Vor allem dich, weil du so unvorbereitet bist. Sie kann dich locker überwältigen, ohne dass ihr auch nur der Schweiß ausbricht! So, jetzt, da wir das wissen, müssen wir uns beide auf dieses Ereignis vorbereiten. Obwohl du keinen Zweifel daran gelassen hast, dass du kein Unsterblicher werden willst, könnte ich wetten, dass du trotzdem nicht besonders scharf darauf bist, von Haven umgebracht zu werden. Also, was würdest du nun sagen,
wenn ich dich zuerst angreife? So wird es ja wahrscheinlich sowieso ablaufen.«
Er zuckt die Achseln und dreht die Hände nach außen.
Eine simple Geste, die mich dermaßen aufbringt, dass ich mit voller Wucht und ohne Warnung auf ihn losstürme.
Ich bin so schnell, dass er im einen Moment noch lässig und cool mitten in der Turnhalle steht, während ich ihn im nächsten schon quer durch den Raum gefegt habe und ihn brutal gegen die gepolsterte Wand drücke, genau so, wie es Haven an dem Tag in der Toilette mit mir gemacht hat. Und genau wie Haven bin ich von der Aktion nicht mal außer Atem.
»So wird es sein«, sage ich, während ich sein Hemd packe und so unsanft an dem Stoff zerre, dass er zerreißt. Sein kühler, flacher Atem trifft auf meine Wange, mein Gesicht nur um Haaresbreite von seinem entfernt, während ich ihm in die seegrünen Augen sehe, die mich verblüfft anstarren. »So schnell wird es geschehen. Dir bleibt keine Zeit zu reagieren.«
Er starrt mich weiterhin an, während sein Atem rascher geht, ihm ein dünner Faden Schweiß über die Stirn rinnt und sein Herz zu rasen beginnt.
Doch das ist nicht die Folge von Angst oder Erstaunen – nein, es kommt von etwas ganz anderem.
Etwas, das ich auf der Stelle erkenne.
Es ist derselbe Blick, den er mir an dem Abend geschenkt hat, als wir uns im Whirlpool beinahe geküsst hätten.
Derselbe Blick, den er mir in der Nacht geschenkt hat, als er mir gestanden hat, dass er mich liebt, dass er mich schon immer geliebt hat, jedes einzelne unserer Leben hindurch, und dass er nicht vorhat, mich in absehbarer Zeit aufzugeben.
Und obwohl ich es versuche, obwohl mein rationales Denken mir sagt, dass ich sein Hemd loslassen, mich abwenden und mich so weit wie möglich von ihm entfernen soll, kann ich es nicht.
Stattdessen umfasse ich ihn fester, presse mich noch enger an ihn, eingelullt von der Woge der Ruhe, die seine Haut ausstrahlt, und tauche kopfüber in seine tiefen, blaugrünen Augen.
Die Stimme in meinem Hinterkopf erinnert mich an all die Gründe, warum ich davonlaufen sollte – meine unzähligen Verdächtigungen, all die unbeantworteten Fragen –, doch mein Körper hört nicht hin. Stattdessen reagiere ich auf ihn wie das Mädchen aus meinem Sklavenleben.
Mit zitternden, schmerzenden Fingern hebe ich eine Hand an sein Gesicht und will nichts mehr anderes, als mit ihm zu verschmelzen.
In seiner Haut zu verschwinden.
Mein Name kommt aus seinem Mund, und es klingt wie ein Stöhnen. Als täte es ihm weh, mich so nah zu spüren.
Aber ich lasse ihn nicht weiterreden, lasse ihn nicht zu Wort kommen. Ich lege die Finger auf die sanfte Wölbung seiner Lippen, erkunde ihre Wärme und wie sie unter meiner Berührung nachgeben, und frage mich, wie es wäre, stattdessen meinen Mund auf sie zu pressen.
Ich spüre sein Herz gegen meines schlagen, heftiger und heftiger. Und obwohl ich versuche, dagegen anzukämpfen, obwohl ich wirklich und wahrhaftig alles dagegen aufbiete, gibt es etwas, was ich mit eigenen Augen sehen muss. Etwas, was ich ein für alle Mal herausfinden muss, damit ich endlich mit der Frage fertigwerde, die mich plagt. Und ich hoffe, sein Kuss wird dies auf die gleiche Art enthüllen wie einst Damens Kuss.
Gibt es wirklich eine Verbindung zwischen uns?
Sind wir zwei dazu bestimmt, zusammen zu sein, und ist es Damen, der uns absichtlich in die Quere gekommen ist?
Da es nur einen Weg gibt, das herauszufinden, hole ich tief Luft, schließe die Augen und warte darauf, dass seine Lippen auf meine treffen.
FÜNFZEHN
E ver, bitte.« Er streichelt die weiche Unterseite meines Kinns und drängt mich, die Augen aufzuschlagen und ihn anzusehen.
Also tue ich es. Hebe widerwillig die Lider und sehe ihn an. Das faszinierende Blaugrün seiner Augen steht in starkem Kontrast zu seinem gebräunten Teint, der goldbronzenen Pracht der Dreadlocks, die ihm ins Gesicht fallen, und seinen leicht
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