Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht
einfach … Ich glaube einfach, es wäre am besten, wenn du …«
Ich halte den Atem an, ziemlich sicher, dass ich es nicht hören will, obwohl ich weiß, dass es mir nicht erspart bleiben wird.
»Ich glaube, du solltest dich irgendwie … einfach … eine Zeit lang fernhalten, weiter nichts.«
Er öffnet die Augen, sieht mich an und lässt den Satz wie eine Barriere, die nicht überschritten werden kann, zwischen uns hängen.
»Sosehr ich es auch genieße, dich hier zu haben, und ich denke, du weißt inzwischen, dass dem so ist, wenn wir uns irgendwelche Hoffnungen darauf machen wollen, weiterzukommen, wenn du dir irgendwie irgendwelche Hoffnungen darauf machst, in absehbarer Zeit eine Entscheidung in Bezug auf deine Zukunft – oder unsere Zukunft – oder wie auch immer zu fällen, dann musst du dich einfach wieder auf den Weg machen. Du musst aufhören …« Er holt tief Luft, rutscht verlegen hin und her und muss sich die Worte offenbar mühsam abringen. »Du musst aufhören, dich im Laden zu verstecken, und dich deinem Leben stellen.«
Sprachlos sitze ich da und weiß nicht, wie ich das auffassen soll – geschweige denn, wie ich darauf reagieren soll.
Verstecken?
Glaubt er, dass ich das die ganze Woche getan habe?
Und, schlimmer noch, besteht eventuell die Möglichkeit, dass das zutrifft? Dass er etwas auf der Spur ist, das mir völlig unbewusst ist und das ich gezielt ignoriere?
Ich schüttele den Kopf, nehme die Füße vom Tisch und
stecke sie wieder in die Sandalen mit dem Keilabsatz. »Irgendwie war mir nicht ganz klar …«
Doch noch ehe ich weiterreden kann, richtet sich Jude abrupt auf und setzt zu einer Erwiderung an: »Bitte, ich wollte damit gar nichts sagen, ich will nur, dass du darüber nachdenkst, okay? Denn ich weiß einfach nicht, wie lange ich noch so zurückhaltend bleiben kann.«
Er lässt die Hände in den Schoß fallen, wo sie offen und entspannt liegen bleiben, wie eine Art Opfergabe. Er hält meinem Blick so lange stand, dass mein Herz zu rasen und mein Magen Purzelbäume zu schlagen beginnt, und mir ist dermaßen schwindlig, dass ich das Gefühl habe, als sei auf einmal die ganze Luft aus dem Zimmer gesaugt worden.
Die Energie zwischen uns steigert sich immer weiter, bis sie so greifbar ist, dass ich sie beinahe zwischen seinem und meinem Körper hin und her strömen sehen kann. Ein dickes, pulsierendes Band des Verlangens, das sich ausdehnt und wieder zusammenzieht und uns zueinander drängt, uns drängt, miteinander zu verschmelzen.
Ich weiß nicht, wer verantwortlich dafür ist – er, ich oder irgendeine universelle Kraft. Ich weiß nur, dass die Anziehungskraft derart überwältigend ist, derart umfassend, dass ich wie von der Tarantel gestochen aus dem Sessel aufspringe, mir die Tasche über die Schulter schlinge und »Ich muss jetzt gehen« hervorstoße.
Ich bin bereits an der Tür und drehe den Knauf zwischen den Fingern, als er ruft: »Ever, aber zwischen uns ist doch alles in Ordnung, ja?«
Ich verlasse das Haus und atme lang und tief ein – fülle meine Lungen mit warmer, salziger Luft, während ich zu einem Nachthimmel voller Sterne aufsehe, von denen einer besonders hell leuchtet.
Ein einziger Stern, der alle anderen überstrahlt – als wollte er mich auffordern, einen Wunsch an ihn zu richten.
Also tue ich es.
Ich sehe zu meinem ganz persönlichen Stern auf und bitte um Beratung, Orientierung, irgendeine Form von Hilfe – und, falls das nicht möglich ist, wenigstens um einen Stups in die richtige Richtung.
ACHTZEHN
E ine halbe Ewigkeit kurve ich ziellos durch Laguna und weiß nicht, was ich machen oder wohin ich mich wenden soll. Ein Teil von mir – ein großer Teil – sehnt sich danach, direkt zu Damen zu fahren, mich in seine Arme zu stürzen, ihm zu sagen, dass alles vergeben und vergessen ist, und möglichst da weiterzumachen, wo wir aufgehört haben, doch diesen Gedanken verwerfe ich ebenso schnell wieder.
Ich bin einsam und durcheinander und suche eigentlich nur nach einem behaglichen Unterschlupf. Und so unklar auch meine Gefühle ihm gegenüber sein mögen, ich weigere mich, ihn als Krücke zu benutzen.
Wir haben beide etwas Besseres verdient.
Und so fahre ich weiter, ein paar Mal den Coast Highway rauf und runter, ehe ich mich in die engeren Sträßchen verziehe, die sich kurvenreich durch den Ort schlängeln. Ich drehe eine Runde nach der anderen, ohne ein konkretes Ziel vor Augen, bis ich mich vor Romans Haus wiederfinde – oder
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