Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht
du hättest abgebrochen.«
»Es ist erst eine Woche«, sage ich achselzuckend und weiß genau, dass das eine ausgesprochen lahme Ausrede ist. Trotzdem hätte ich ja krank gewesen sein und mit Pfeifferschem Drüsenfieber oder Grippe im Bett gelegen haben können, also warum gehen alle gleich davon aus, dass ich abgebrochen hätte?
Bin ich in ihren Augen wirklich ein solcher Freak, eine solche Null?
Sie mustert mich eingehend, ehe sie etwas entgegnet. »Ehrlich? Nur eine Woche?« Dann wiegt sie den Kopf hin und her, als würde sie über meine Worte nachdenken. »Hm. Kommt mir aber viel länger vor. Muss die schnellste soziale Revolution der ganzen Weltgeschichte gewesen sein.«
Ich kneife die Augen zusammen, da mir ihr Ton nicht gefällt, bleibe aber entschlossen, kein Wort zu sagen – zumindest noch nicht gleich. Ich hoffe, mein Schweigen provoziert sie so, dass sie mich unbedingt mit dem beeindrucken
will, was auch immer sie getan hat, und sie mir weit mehr verraten wird, als sie je vorhatte.
»Du hast es doch bestimmt schon gehört, oder?« Sie wirft sich das Haar über die Schulter und geht auf mich zu. »Deswegen bist du ja wahrscheinlich auch hier und spionierst Haven nach und so. Aber du brauchst nur zu wissen, dass es funktioniert hat. Stacia ist Geschichte, und Haven hat ihren Platz eingenommen.« Ihre Augen blitzen, während sie die Lippen nur ein ganz klein wenig schürzt und zweifellos enorm zufrieden mit sich selbst ist. »Mittlerweile hat sich an der Bay View High so einiges ganz massiv verändert. Aber hey, du brauchst es mir nicht zu glauben, warum schaust du nicht vorbei und siehst es dir selbst an?«
Ich hole tief Luft und bekämpfe den Drang, ihrem spöttischen Ton oder ihrem Überlegenheitsgefühl echte Aufmerksamkeit zu schenken. Das ist genau das, was sie will, und ich habe nicht vor, ihr den Gefallen zu tun.
Trotzdem hoffe ich, sie ein wenig von ihrem hohen Ross herunterholen zu können, als ich sage: »Entschuldige bitte, aber hast du gerade gesagt, dass Haven jetzt Stacias Platz eingenommen hat?«
Honor nickt. Dabei grinst sie nach wie vor triumphierend und kommt sich immer noch wahnsinnig gut vor.
»Sooo …« Ich ziehe das Wort in die Länge und betrachte ihre Designer-Ballerinas, die schwarzen Leggings und das hautenge, langärmlige T-Shirt, das ihr bis über die Hüften reicht. Schließlich sehe ich ihr wieder ins Gesicht und sage: »Und wie fühlst du dich dabei?«
Sie wirft einen Blick zum Fenster und verfolgt, wie Haven ihre Lakaien unterhält. Ihre Selbstsicherheit kommt ins Wanken und beginnt zu schwinden, genau wie ihre Aura, während sie sich fragt, worauf ich eigentlich hinauswill.
»Ich meine, das ist nicht so ganz der Coup, den du im Sinn hattest, oder?«
Sie atmet geräuschvoll aus und schaut auf die Straße, in den Garten – überallhin, außer zu mir.
»Denn wenn ich mich recht erinnere, dann war dein Motiv, dass du es satthattest, die Nummer zwei zu sein – und jetzt, zumindest nach dem, was du mir gerade erzählt hast, ist die Revolution irgendwie an dir vorbeigegangen, weil du immer noch die Nummer zwei bist. Ich meine, denk doch mal nach, Honor, dem zufolge, was du gerade gesagt hast, besteht die einzige Veränderung darin, dass du jetzt Havens Schatten bist und nicht mehr der von Stacia – zumindest hat es sich für mich so angehört.«
Sie verschränkt die Arme, und das so rasch, so heftig, dass ihr die Schultertasche bis zum Ellbogen herunterrutscht und hart gegen den Oberschenkel knallt. Doch sie achtet gar nicht darauf, sondern sieht mich böse an. »Ich hatte die Nase voll von Stacias Fiesheiten. Und jetzt, dank ein bisschen Hilfe von Haven, muss ich mich damit nicht mehr abgeben. Niemand muss das mehr. Stacia ist nichts weiter als eine Null, die kein Mensch mehr beachtet. Sie spielt keine Rolle mehr, und sie braucht dir auch nicht leidzutun.« Sie zieht die Brauen hoch und sieht mich finster an.
Doch sie kann das Gesicht verziehen, so viel sie will, und alles abstreiten bis zum Gehtnichtmehr, Tatsache ist, dass meine Arbeit getan ist. Ich habe sie schwer getroffen, sie an ihr großes Ziel erinnert – nämlich Stacias Platz einzunehmen – und ihr anhand dessen, was sie gerade gesagt hat, nachgewiesen, dass sie damit komplett gescheitert ist.
Ich finde, dann kann ich ihr auch noch den Rest geben. »Weißt du, es ist nämlich so …« Ich zucke lässig die Schultern, als hätte ich alle Zeit der Welt, um es ihr zu erklären.
»Die Sache mit Haven
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