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Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Titel: Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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davon waren eher spaßhaft gemeint, wie Danas Kommentar, dass so etwas eben passiert, wenn weiße Menschen versuchen, unter Tage zu leben.
    Hin und wieder überquerte die Streife des Schwarzen Kreuzes die Brücken des East River, um Gegenden in Brooklyn oder Queens zu bewachen, und der bloße Gedanke daran, fließendes Wasser unter den Füßen zu haben, verursachte mir Übelkeit. Ich war dankbar, dass das notdürftige Badezimmer im Hauptquartier des Schwarzen Kreuzes keinen Spiegel hatte, denn ich nahm an, dass mein Spiegelbild bereits zu verblassen begann.
    Meine Eltern hatten mich davor gewarnt, was mit Vampiren geschehen würde, die kein Blut zu sich nähmen: Ihr Erscheinungsbild würde sich stetig verändern, bis sie aussähen wie die Monster der Legenden. Aus ihnen würden weiße, knochige Kreaturen werden, deren Fingernägel beinahe wie Klauen hervorstünden. Ihre Haare würden ihnen ausfallen, und der ständige Hunger würde bewirken, dass ihre Reißzähne immer zu sehen wären. Doch am schlimmsten würde ihr Wahn sein. Wenn Vampire an dem Punkt ankommen, wo sie in ihrem Verlangen nach Blut schier verdursten, werden sie zu wilden Tieren, die keinen Verstand mehr haben und vollkommen ungezügelt sind. Selbst ein guter Vampir kann zum Mörder werden, wenn er nur lange genug ohne Blut war.
    Ja, mit solchen Geschichten können deine Eltern dich mühelos dazu bringen, deinen Teller leer zu essen, wenn du noch ein Babyvampir bist. Die alten Geschichten waren definitiv beängstigend genug, mich dazu zu bewegen, jeden Tag brav mein Glas Rhesus o positiv zu leeren. Nun kehrte dieser Horror meiner Kinderzeit wieder, denn tagtäglich fragte ich mich: Kann das mit mir geschehen, auch wenn ich noch kein richtiger Vampir bin? Inwieweit bin ich anders? Inwieweit bin ich genauso? Wie soll ich denn nur weitermachen, wenn ich die Wahrheit nicht kenne?
    Selbst während wir mit dem Schwarzen Kreuz auf Streife waren, hatte ich keine Gelegenheit, etwas Nahrhaftes zu mir zu nehmen. Immer wieder wurde ich anderen Partnern als Lucas zugewiesen, und Nacht für Nacht waren wir in Gegenden unterwegs, die mir keine Chance ließen, auf Nahrungssuche zu gehen. Nie war ich gezwungen, zuzusehen, wie ein Vampir getötet wurde – immerhin ein kleiner Segen für mich –, aber inzwischen war ich hungrig genug, um nur noch an mich zu denken. Ich wollte einfach nur Blut trinken und konnte es nicht.
     
    Nach fünf Tagen war ich verzweifelt. Das war die Nacht, in der Lucas und ich endlich wieder gemeinsam auf Patrouille geschickt wurden.
    »Wir müssen mal zusammen hierherkommen, wenn wir wieder Freizeit haben«, sagte Dana, als unsere Gruppenstreife loszog. Die Junihitze stieg vom Straßenbelag auf, obwohl die Dämmerung schon eingesetzt hatte; mein Nacken war schweißgebadet. »Es sieht aus, als könnte man hier wunderbar Party machen.«
    Überall um uns herum gab es Nachtclubs und Bars. Einige von ihnen sahen heruntergekommen aus, andere hingegen wirkten schick und teuer; dazwischen schien es allerdings nicht viel zu geben. »Ich glaube kaum, dass sie mich reinlassen würden.«
    »Klatsch dir und Raquel einfach Make-up ins Gesicht, und die Sache ist geritzt«, beharrte Dana. »He, ist mit dir alles in Ordnung?«
    »Bin nur müde. Sie haben mich heute zweimal die Wand hochklettern lassen.«
    Dana klopfte mir auf die Schulter. »Sie wollen, dass du zäh wirst.«
    Lucas wandte sich an unseren Anführer in dieser Nacht. Es war Milos, einer von Elizas Leutnants, ein kräftiger Bursche mit weißblondem Haar und Bart. Lucas sagte zu ihm: »Ich würde gerne mit Bianca die Ostseite unseres Gebietes übernehmen. In Ordnung?«
    Bitte sag ja, bitte sag ja. Lucas kann mir helfen, etwas zu essen zu finden, ich weiß, dass er es kann …
    »Nur zu«, antwortete Milos. Sein Lächeln war wissend, beinahe schon ein Feixen, aber das war mir egal. Sollte er doch denken, dass wir uns davonschleichen wollten, um es zu treiben. Ich wünschte ja, wir hätten diese Art von Luxus.
    Murmeln und Kichern, aber niemand hielt uns auf, als ich Lucas’ Hand nahm und wir gemeinsam in der Dunkelheit verschwanden.
     
    Kaum waren wir allein, bemerkte Lucas: »Du siehst furchtbar aus.«
    »Wahrscheinlich sollte ich wegen einer solchen Bemerkung beleidigt sein, aber ich weiß, dass du recht hast.« Lucas zerrte mich den Bürgersteig entlang, bis wir unter einigen kleinen Bäumen stehen blieben, die in quadratische Öffnungen im Pflaster eingepflanzt worden waren. Aus den

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