Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
sollten eine andere Lösung suchen.«
»Es gibt keinen anderen Weg.« Lucas hob langsam den Saum seines T-Shirts und zog es sich über den Kopf. Ich wusste, dass er das tat, weil er kein Blut auf seiner Kleidung haben wollte, aber die Nähe seines nur noch halb bekleideten Körpers traf mich wie ein Schlag. Das goldene Licht hinter uns zeichnete seine feste, muskulöse Gestalt nach. »Ich vertraue dir.«
»Lucas …«
»Komm schon.« Er kam einen Schritt näher. »Das ist die einzige Möglichkeit, die mir bleibt, wenn ich mich um dich kümmern will. Lass es zu, dass ich für dich sorge.«
Ich schüttelte den Kopf. »Du verstehst nicht. Es ist diesmal anders. Ich bin so viel hungriger.«
»Du beißt mich nur, wenn du nicht hungrig bist?«
Ich dachte an die beiden Gelegenheiten, als ich von seinem Blut getrunken hatte – zum einen nach dem Herbstball, als wir uns zum ersten Mal leidenschaftlich geküsst hatten, und zum anderen, als wir allein auf einen der hohen Türme von Evernight gestiegen waren und uns in den Armen gelegen hatten. »Das war anders.«
»Aber das muss es doch nicht sein.« Er nahm mich in die Arme und küsste mich. Es war kein Kuss wie unsere früheren. Dieser war rauer, beinahe fordernd. Lucas teilte meine Lippen mit seinen und zog meinen Körper an sich heran. Ich konnte ihn nicht fortschieben, ich konnte nicht denken, mich nicht bewegen, ich konnte nichts tun, als seinen Kuss zu erwidern.
Wie sehr hatte ich das vermisst: Den Geschmack seines Mundes, den Geruch seiner Haut und die Berührung seiner kräftigen Hände!
Als er mit den Lippen zu meiner Kehle hinunterfuhr und meinen Hals mit Küssen bedeckte, flüsterte ich: »Du bringst mich dazu, die Kontrolle zu verlieren.«
»Das ist doch der Sinn der Sache.«
»Lucas … nicht …«
»Wenn du dich von der Leidenschaft davontragen lassen musst, um mich zu beißen, dann muss ich eben deine Begierde wecken.« Seine Hand schloss sich um meine Brust. »Wie weit muss ich gehen?«
Meine Instinkte übernahmen die Kontrolle. Ich zog Lucas auf den Fußboden, und die alten Holzbohlen knarrten leise unter unserem Gewicht. Lucas lag neben mir und drückte mir Küsse auf meine Stirn und die Wangen, während ich meine Hände durch sein Haar gleiten ließ und seinen Geruch einsog. Ich konnte hören, wie sein Atem schneller wurde, und ich konnte sein Blut riechen. Eher wie ein Tier als wie ein Mensch bog ich ihm meinen Körper entgegen, sodass ich seine Wärme überall spüren konnte.
»Komm schon, Bianca«, flüsterte er. »Komm schon. Ich weiß, dass du es auch willst. Ich will, dass du es tust.«
Stopp, stopp, stopp. Ich muss rechtzeitig aufhören, ich weiß nicht, ob ich aufhören kann, ich will nicht, dass er mich loslässt, nie mehr, ich will nicht, dass das endet…
Ich biss in seine Schulter, und sein Blut strömte in meinen Mund.
Ja . Das war es, was ich gebraucht hatte, wonach ich mich verzehrt hatte. Ich hörte Lucas stöhnen, und ich wusste nicht, ob es vor Schmerz oder vor Verlangen war. Mein Körper bebte, als ich kräftiger sog und Schluck für Schluck von seinem Blut trank. Es war heiß und süß und reiner als alles sonst auf der Welt. Es war Leben. Ich konnte spüren, wie sich mein Körper veränderte und an Stärke gewann, während Lucas’ Leben in mich hineinfloss.
Meine Hände pressten die seinen auf den Boden, und unsere Finger verschränkten sich ineinander. »Bianca«, flüsterte er mit zitternder Stimme.
Ich trank noch mehr. Dies war vollkommen: Hunger und Befriedigung gleichzeitig, untrennbar verbunden. Wie konnte irgendjemand etwas anderes wollen?
»Bianca …«
Stopp, stopp, stopp!
Ich riss mich in dem Augenblick los, als Lucas’ Kopf zur Seite kippte. Der Schock ernüchterte mich, ich löste mich und tätschelte ihm die Wangen. »Lucas? Alles in Ordnung mit dir?«
»Gib mir nur … eine Sek…«
»Lucas!«
Er versuchte, sich auf einen Ellbogen aufzustützen, doch er brach über mir zusammen. Sein Atem ging zu schnell, und seine Haut war weißer als meine. Natürlich, denn ich war rosig und blühend geworden von dem Leben, das ich dem Jungen gestohlen hatte, den ich liebte.
Schuldgefühle brachen über mich herein.
»O nein, das hätte ich niemals tun dürfen.«
»Sag das nicht.« Seine Worte klangen undeutlich. »Wir mussten … dich doch … retten.«
Ich setzte mich auf und presste zwei Finger an seinen Hals. Sein Herzschlag war gleichmäßig, wenn auch sehr schnell. Ich war nicht zu weit gegangen, aber
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