Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
Konsequenzen hatte.
»Bianca?«
Raquel knipste die kleine Taschenlampe an, die sie neben ihrem Bett liegen hatte. Der Strahl schien beinahe unerträglich hell, und ich drehte mich weg. »Mach das wieder aus, ja?«
»Hast du einen schlechten Traum gehabt? Du stöhnst immerzu. «
»Es war kein richtiger Albtraum, nur irgendwie überwältigend, verstehst du?« Zum Glück fragte Raquel nicht weiter nach, und ich hatte einen Moment für mich, um über alles nachzudenken.
Der wahre Grund, warum ich gestöhnt hatte, war kein Albtraum, sondern eine völlige Überreizung all meiner Sinne gewesen. Ich konnte jeden Schritt und jedes Husten in all den alten U-Bahnwaggons hören, in denen die Jäger des Schwarzen Kreuzes schliefen. Ich konnte weiter unten im Tunnel Wasser tropfen hören, ebenso wie das leise, rasche Huschen von Mäusen.
Ich muss mir merken, wo sie sind, um sie mir später, wenn ich sie brauche, zu holen …
»Bianca?«
»Ich hatte keinen schlechten Traum«, murmelte ich und legte mir den Unterarm über die Augen, um das Licht abzuschirmen. Auf lange Sicht bewirkte das Trinken von Blut, dass ich besser mit hellem Licht oder Sonnenschein klarkam. Aber kurz nachdem ich es zu mir genommen hatte, kam mir der Strahl der Lampe blendend hell vor.
»Diese Betten sind wirklich unbequem, findest du nicht?« Ich konnte die Plastikkanten der alten Sitze in meinem Rücken spüren, selbst durch die Matte hindurch, auf der ich lag.
Jede Kritik am Schwarzen Kreuz war normalerweise das Stichwort für Raquel, darauf zu beharren, dass alles fantastisch war. Dieses Mal jedoch seufzte sie. »Es wäre schon schön, mal wieder in einem richtigen Bett zu schlafen. Dana und ich überlegen schon immer, ob wir nicht ein bisschen Geld sparen könnten, um uns irgendwann einmal ein Hotelz… Oh. Das war es, was du und Lucas vorhattet, oder?«
»Im Grunde ja.« Es kam der Wahrheit schon recht nahe.
»Es tut mir leid, dass Eduardo Lucas’ Sachen durchstöbert hat. Das war wirklich unfair.«
»Lucas hat so hart für dieses Geld gearbeitet.«
»Das ist gemein.« Raquel seufzte.
Ich war dankbar für den Beweis, dass Raquel noch nicht blindlings auf der Welle des Schwarzen Kreuzes mitschwamm. Noch mehr allerdings sehnte ich mich nach Dunkelheit und Stille. »Ich will nur wieder einschlafen und die ganze Sache eine Weile lang vergessen.«
»Lohnt sich nicht mehr.« Die Taschenlampe blieb an; ich konnte es an dem gedämpften Schein erkennen, der sich selbst an dem Arm über meinem Gesicht vorbeistahl und durch meine geschlossenen Lider drang. »Sie werden sowieso bald die Lichter anmachen. Der Morgen ist doch schon angebrochen.«
Ich stöhnte.
Wenn das Bluttrinken schon mächtige Auswirkungen auf mich gehabt hatte, dann war das nichts im Vergleich zu dem, was es bei Lucas bewirkt hatte.
»Hör auf zu schmollen«, fuhr Kate ihn an, während wir den Transportbus mit den Waffen für die spätere Nachmittagspatrouille beluden. »Oder willst du dich noch ein bisschen über das Horten von Geld streiten?«
»Ich schmolle nicht.« Lucas zuckte zusammen, als er zu sprechen ansetzte. Das Licht im Parkhaus war gedämpft, aber es stach in meinen Augen, und ich konnte sehen, dass es Lucas nicht anders erging. »Ich fühle mich nur nicht so toll.«
Zuerst sah Kate skeptisch aus, doch dann legte sie ihm die Hand auf die Stirn. Die schwere Männersportuhr, die sie trug, ließ ihr Handgelenk beinahe zerbrechlich aussehen. Kate blickte besorgt. »Du fühlst dich ganz kalt und feucht an. Macht dir dein Magen zu schaffen?«
»Irgendwie schon.«
Ich versuchte, Lucas’ Blick aufzufangen, und als es mir gelang, warf er mir ein kurzes, schiefes Lächeln zu. Offenbar dachten wir beide das Gleiche: Damit hätten wir rechnen müssen.
Menschliche Körper waren einfach nicht dafür gemacht, den Tribut für Vampirkräfte zu zahlen.
Kate zögerte einige Sekunden lang, und ich fragte mich, ob sie Lucas trotzdem auf Streife schicken würde. Die meiste Zeit benahm sie sich eher wie seine Befehlshaberin als wie seine Mutter. Doch schließlich zuckte sie mit den Schultern. »Zurück ins Bett. Ruh dich ein bisschen aus. Bianca, du schließt dich Milos’ Team an. Du und Raquel, ihr seid heute Partnerinnen.«
»Okay«, sagte Lucas. Auch wenn ich wusste, dass er es hasste, den ganzen Tag im Hauptquartier festzusitzen, klang er in meinen Ohren doch auch ganz erleichtert über die Anweisung. Vermutlich vermittelte Kate ihm nicht oft das Gefühl, sich um ihn zu
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