Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
noch einen anderen Weg geben«, beharrte ich. Es ging also um noch viel mehr, als ich befürchtet hatte.
»Ich werde versuchen, mir etwas einfallen zu lassen.« Aber er klang alles andere als hoffnungsvoll, und meine Sorge schlug in Ärger um.
»Kümmert es dich wirklich so wenig, was mit Balthazar passiert? Oder willst du ihn aus dem Weg haben, nur weil ihm etwas an mir liegt und weil er und ich beinahe …«
Zu spät zügelte ich mich. Dem Blick nach zu urteilen, den Lucas mir zuwarf, wusste er ganz genau, worauf ich anspielte: In einer Nacht im Frühling, nachdem Lucas und ich Schluss gemacht hatten, war aus der Anziehung zwischen Balthazar und mir Leidenschaft geworden. Wir hatten gegenseitig unser Blut getrunken und hätten vielleicht sogar miteinander geschlafen, wenn wir nicht gestört worden wären. Als Lucas und ich wieder zusammenkamen, hatte ich ihm alles gestanden, und bislang war die Sache kein großes Thema zwischen uns gewesen. Lucas wusste, dass er der Einzige war, den ich wirklich liebte.
Also hätte ich Lucas nicht unterstellen dürfen, nur aus Eifersucht heraus bereitwillig zuzusehen, wie Balthazar starb. Ich wusste, dass das falsch war, und ich hatte nichts anderes damit erreicht, als Lucas daran zu erinnern, wie nahe Balthazar und ich uns einst gekommen waren.
Lucas sagte nur: »Das war unter der Gürtellinie.«
»Ich weiß. Tut mir leid.« Zaghaft strich ich Lucas eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Er schob mich nicht von sich, aber er entspannte sich auch nicht unter meiner Berührung. »Das wird uns zwar nicht dabei helfen, ihn herauszuholen, aber … Komm mit.« Lucas führte mich wieder in die Station hinein, wo Milos und einer der anderen Jäger Wache stand. Balthazar saß noch immer auf dem Fußboden, die Hände über dem Kopf angekettet, und er blickte nicht hoch. Als sich die Wachen zu uns umdrehten, sagte Lucas: »He, Leute, macht mal eine Pause. Wir passen jetzt ein bisschen auf ihn auf.«
Milos zuckte mit den Schultern. »Warum sollten wir verschwinden? «
»Weil dieser Blutsauger es auf mein Mädchen abgesehen hatte.« Lucas zog mich besitzergreifend an sich. Beinahe unmerklich spannte Balthazar die Muskeln an. »Und ich würde gerne … etwas mit ihm besprechen. Allein.«
Die anderen Wachen kicherten hämisch; Milos erhob sich langsam und nickte. Sein Lächeln gefiel mir nicht. »Tu dir keinen Zwang an. Die nächsten paar Minuten bin ich draußen und schnappe ein bisschen frische Luft. Er gehört dir.«
»Danke, Mann.« Lucas starrte unheilverkündend auf den schweigenden Balthazar, bis sich die Tür hinter den Jägern geschlossen hatte. Dann sagte er: »Bianca, postier dich an der Tür. Wenn sie zurückkommen oder sich sonst jemand nähert …«
»Ich pass auf.«
Endlich hob Balthazar den Kopf. Auf seinem Gesicht malte sich kein Schmerz, sondern Traurigkeit, was viel schlimmer war. »Bist du gekommen, um zu triumphieren?«
Lucas fauchte ihn an: »Nein, du Idiot, ich versuche herauszufinden, wie wir dich befreien können. Hilfst du uns dabei, oder willst du lieber noch ein bisschen rumstänkern, bevor ein unvermeidlich schmerzhafter Tod auf dich wartet? Du kannst es dir ja aussuchen.«
»Warte«, sagte Balthazar, und Hoffnung schwang in seiner Stimme mit. »Du bist hier, um zu helfen?«
Ich ging zur Tür, auch wenn es mir nicht gefiel, mich so weit von Balthazar zu entfernen. »Tut dir etwas weh? Haben sie dir was getan?«
»Bianca, was hast du denn mit diesen Leuten zu schaffen? Das ist doch viel zu gefährlich für dich.« Es sah Balthazar ähnlich, die schreckliche Gefahr, in der er selbst sich befand, zu ignorieren, und sich stattdessen um jemand anderen zu sorgen. »Sie können nicht wissen, wer und was du bist.«
»Nein, das ahnen sie nicht.« Meine Stimme war nur noch ein Flüstern, damit niemand unten aufwachen und mich hören konnte. Gott sei Dank waren sie vermutlich so müde, dass nicht einmal eine Explosion sie aufgeweckt hätte. »Wir stecken hier sozusagen fest, bis wir an Geld kommen und zusammen abhauen können.«
Balthazar wandte sich an Lucas, der prüfte, wie fest das Metallgeländer, an das Balthazar gekettet war, eingemauert war. Unglücklicherweise schien es sehr massiv zu sein. »Du musst sie hier herausbringen. Sofort. Macht euch keine Sorgen wegen des verfluchten Geldes. Verschwindet einfach.«
»Leicht gesagt«, entgegnete Lucas. »Aber schwerer getan, vor allem, wenn man für jemand anderen zu sorgen hat.«
»Kannst du nicht die
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