Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
Handschellen abmachen?«, flehte ich. »Sie haben gesagt, es würde eine Weile dauern, ehe sie zurückkommen. Das ist mehr als genug Zeit für Balthazar, um zu verschwinden. Wir könnten behaupten, er habe uns überwältigt.«
Lucas schüttelte den Kopf. »Sie haben hier überall Posten aufgestellt. Der einzige Ort, der nicht bewacht ist, ist der Fluss, und wenn man an eure Probleme mit fließendem Wasser denkt, dann gehe ich nicht davon aus, dass Balthazar einfach davonschwimmen kann.«
Balthazar zuckte zusammen und sagte: »Ganz bestimmt nicht.«
»Mir fällt schon noch etwas ein«, sagte Lucas. Er klang, als versuchte er, sich selber davon zu überzeugen. »Warum hast du dich überhaupt dieser kleinen Jagdgruppe angeschlossen, he? Hätte gar nicht gedacht, dass du Mrs. Bethanys Laufbursche bist.«
»Wohl kaum.« Balthazar stöhnte. »Aber sie sagte, Bianca sei hier, und ich dachte – ich dachte, sie könnte vielleicht in Schwierigkeiten stecken. Ich meine die Art von Schwierigkeiten, in die ich jetzt geraten bin.«
Er hatte sich in unvorstellbare Gefahr begeben, weil er Angst um mich gehabt hatte. Schon wieder meine Schuld! Ich war gerührt von seiner Hingabe, zugleich jedoch auch wütend auf mich selbst, und so lehnte ich eine Sekunde lang meinen Kopf gegen den Türrahmen und schloss meine Augen.
Ich hörte Balthazar sagen: »Also warum willst du mir helfen, Lucas? Das letzte Mal, als ich mich davon überzeugen konnte, hast du noch an den Krieg gegen die Vampire geglaubt.«
»Dann ist es eine Weile her, dass du meine Einstellung überprüft hast, nicht wahr?«, entgegnete Lucas. »Außerdem: Du hast Bianca geholfen, koste es, was es wolle. Das bedeutet, dass ich dir ebenfalls helfe, koste es, was es wolle.«
Ich hob den Kopf und sah, wie sich Lucas und Balthazar anstarrten. Zum ersten Mal entdeckte ich wirklichen Respekt in Balthazars Augen. »Okay.«
»Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich keine Ahnung habe, was ich für dich tun kann.« Lucas trat gegen das Geländer und fluchte. »Balthazar, ich werde es versuchen, aber ich kann dir nichts versprechen.«
»Verstehe«, antwortete Balthazar. Er sprach jetzt mehr mit mir, als an Lucas gewandt. »Bringt euch meinetwegen nicht in Gefahr. Das ist es nicht wert.«
»Doch, das ist es«, flüsterte ich. Lucas’ Blick schoss zu mir, aber er sagte nichts. »Wir lassen dich auf keinen Fall einfach so hier. Mir ist egal, was ich dafür tun muss.«
Lucas unterbrach mich: »Uns wird schon etwas einfallen. Aber es könnte einige Tage dauern. Und diese Tage könnten ganz schön hart für dich werden.«
Dank meines Vampir-Gehörs war ich mir sicher, dass Milos und die anderen Wachen auf dem Weg zu uns waren. »Sie kommen zurück.«
Balthazar sagte rasch: »Was auch immer sie mir antun werden – ich versichere dir, dass ich schon Schlimmeres durchgestanden habe.«
»Sei dir mal nicht so sicher«, sagte Lucas. »Aber halte durch.«
Die Tür wurde mit einem Knall aufgestoßen, und Milos und die anderen Wachen waren wieder da. »Hattest du deinen Spaß?«
»Nur eine kleine Unterhaltung«, sagte Lucas. Er sah auf Balthazar hinab und warf ihm einen Blick zu, den zwar ich sehen konnte, die Wachen jedoch nicht – wie eine Warnung. Dann hob er die geballte Faust, als ob er Balthazar schlagen wollte, und dieser zuckte zurück. Ihr Schauspiel hätte beinahe sogar mich überzeugt. Lucas entspannte und grinste boshaft. »Lasst ihn erst mal eine Weile nachdenken, in Ordnung? «
»Sicher«, sagte Milos schadenfroh. »Bring Bianca ins Bett.«
Die beiden lachten, froh, Balthazar gemeinsam zu verspotten. Balthazar schloss die Augen.
Lucas griff nach meiner Hand und zog mich nach draußen, ehe ich anfing zu weinen. Ich ließ mich wegbringen, obwohl ich gar nicht gehen wollte. Ich war mir nicht sicher, ob ich Balthazar je wiedersehen würde.
9
Wenn ich schon bislang geglaubt hatte, es sei eine klaustrophobische Erfahrung, beim Schwarzen Kreuz zu leben, dann hatte ich nichts begriffen. Hier zwängten sich die rund zwanzig Leute, die in der Hafenstation untergebracht waren, in einem einzigen Raum zusammen, der nicht einmal zehn Menschen bequem Platz zum Schlafen geboten hätte. Es gab keinerlei Privatsphäre, keine Stille und keine Chance, mit Lucas zu sprechen.
Wenigstens waren wir nahe beieinander.
Lucas und ich schliefen theoretisch auf zwei getrennten Pritschen, die nebeneinanderstanden, aber dazwischen gab es keine Lücke, dafür war in diesem Raum kein
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