Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
etwas zum Gespräch beitrug. Lucas und ich zuckten zusammen. »Praktisch mein und Lucas’ ganzes Leben lang.«
»Die Zelle hätte schon lange mehr in Bewegung sein müssen«, sagte Eliza. »Das wisst ihr.«
»Ja«, erwiderte Kate. »Das weiß ich.« Sie ließ ihr Besteck auf den Teller fallen.
Ich sah, wie die Muskeln an Lucas’ Schultern vor Anspannung deutlich zutage traten. So beengt und fordernd das Leben beim Schwarzen Kreuz auch war und obwohl Lucas längst kein blinder Fanatiker mehr war – diese Zelle war die einzige Art von Familie, die er je kennengelernt hatte. Ich wusste, wie verloren er sich fühlen musste, wie allein. Manchmal, trotz allem, was geschehen war, vermisste ich die Evernight-Akademie. Wenigstens hatte ich es dort jede Nacht warm und behaglich gehabt, ich hatte so viel zu essen bekommen, wie ich wollte, und ich hatte gewusst, dass meine Eltern sich um mich kümmerten.
Hier gab es für mich nichts außer Angst, und selbst meine besten Freunde konnten sich gut und gerne in meine Feinde verwandeln.
Ich sah von meinem Reis auf und hoffte, Raquels Blick aufzufangen, aber sie sah Dana an. Ihr Gesichtsausdruck war undurchdringlich.
»Gib der Sache Zeit«, murmelte Lucas, als sich alle auf die Nacht vorbereiteten. Er rollte sich hinter mir zusammen, wie er es auch in der Nacht zuvor getan hatte, und ich war noch nie so dankbar gewesen, ihn derartig nahe bei mir zu spüren. »Ich denke, alles wird sich fügen.«
»Aber Dana …« Sie war im Schwarzen Kreuz aufgewachsen. Sie war bereit gewesen, Balthazar seinem Schicksal zu überlassen. Wie konnte sie mich so schnell akzeptieren?
»Schschsch.« Es klang, als wolle er mich beruhigen, aber ich wusste, dass es in Wahrheit eine Warnung gewesen war. Auch die anderen legten sich schlafen, und sie waren nahe genug, um jedes Wort zu hören.
Die Lichter wurden gelöscht, und ich lag neben Lucas – sowohl in seinen Armen als auch Lichtjahre von ihm getrennt. Er schlief rasch ein, was mir sein tiefes, gleichmäßiges Atmen verriet.
Siehst du, Lucas glaubt, dass wir in Sicherheit sind. Er macht sich kein bisschen Sorgen.
Nein, er ist ein Jäger. Er ist es gewöhnt, zu schlafen, wann immer es geht, sodass er die Kraft hat, zu kämpfen, sobald es erforderlich ist.
Nun, dann werde ich eben versuchen, ebenfalls eine Jägerin zu werden.
Kaum dass ich meiner Erschöpfung nachgab, überfiel mich der Schlaf. Ich war müder gewesen, als ich es gemerkt hatte. Mein Kopf, meine Augenlider, meine Glieder, alles fühlte sich so schwer an …
Die Dunkelheit umfing mich warm und tröstend wie eine Decke.
»Aufstehen.«
Der Strahl einer Taschenlampe blendete mich und riss mich aus dem Schlaf. Ich spürte, wie Lucas sich bewegte, und hörte ihn stöhnen. »Was ist denn los?«
Mit noch strengerer Stimme wiederholte Eliza: »Aufstehen !«
Ich stützte mich auf meine Ellbogen, presste die Augen zusammen und versuchte, im Raum um uns herum irgendetwas zu erkennen. In der Dunkelheit waren mehrere Gestalten auszumachen; die meisten der Jäger vom Schwarzen Kreuz standen im Halbkreis um uns herum und hielten Waffen in den Händen.
Dana hat ihnen alles über mich erzählt.
Mein Magen krampfte sich so schmerzhaft zusammen, dass ich glaubte, mich übergeben zu müssen. Das Blut rauschte in meinen Ohren, und mein Puls ging so schnell, dass ich beinahe nichts anderes mehr hören konnte. Mein ganzer Körper schien kalt zu werden, und ich dachte immer wieder Geht weg, geht weg !, als könnte ich irgendwie die Zeit anhalten und alles ungeschehen machen. Es schien mir, als müsste es irgendeinen Ausweg geben, aber ich sah keinen.
Lucas hatte seine Hand fest um meine geschlossen. Obwohl ich wusste, dass er ebenso viel Angst haben musste wie ich, sagte er mit fester Stimme: »Du sagst uns besser, was los ist.«
»Du weißt, was los ist«, sagte Eliza. »Nicht wahr?«
»Ja. Ich denke schon.« Er holte tief Luft, während er rasch den Raum absuchte. Dana war nicht da – Feigling –, und sie hatte zweifellos Raquel mitgenommen, damit diese nicht protestieren könnte. Doch dann begriff ich, dass Lucas gar nicht nach den beiden Ausschau hielt, sondern nach seiner Mutter. Kate war nirgends zu sehen. Hatte sie eine Ahnung, was gerade geschah? Sicherlich nicht. Sie hatten sich irgendeinen Vorwand ausgedacht, um sie wegzuschicken, und nun war die einzige Person, die in der Lage gewesen wäre, uns zu Hilfe zu kommen, fort. »Was geschieht jetzt?«
Elizas Lächeln war
Weitere Kostenlose Bücher