Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
Wasserpistole, die zweifellos mit Weihwasser gefüllt war. Sie würden damit anfangen, meine Haut zu verbrennen. Sei tapfer , dachte ich. Würde mich Weihwasser überhaupt verletzen? Geweihter Boden und Kreuze waren immer ein Problem gewesen, also würde das Wasser meine Haut vermutlich verätzen, wie es bei jedem anderen Vampir auch der Fall wäre.
Ich würde nicht zurückzucken, ich würde nicht meinen Kopf wegdrehen. Sie wollten mich verängstigt sehen, aber wenigstens um diesen Triumph konnte ich sie bringen.
»Tut das nicht.« Lucas hob die Hände und versuchte vergeblich, sie zur Vernunft zu bringen. »Wenn ihr doch bloß zuhören würdet … Verdammt noch mal.«
Milos hatte Weihwasser in meine Richtung gespritzt, doch Lucas war schützend vor mich getreten. Ich war ihm so dankbar dafür – wenigstens für den Bruchteil einer Sekunde, ehe ich begriff, dass er den Fehler seines Lebens begangen hatte.
Das Weihwasser traf Lucas und begann zu dampfen. Er schrie, als seine Haut verbrannte, ebenso, wie es bei einem Vampir geschehen würde.
»Was zur Hölle … ?«, brüllte Milos, und die anderen begannen, zu fluchen und auszuflippen. Ich war beinahe ebenso geschockt wie sie, aber nur für einen kurzen Moment. Lucas hatte Vampirkräfte, aber auch die Verletzlichkeiten eines Vampirs entwickelt, seitdem ich zum ersten Mal von seinem Blut getrunken hatte. Und nun war Weihwasser für ihn ebenso gefährlich wie für mich. Lucas wand sich vor Schmerzen, aber schon bald war sein Gesicht voller Entsetzen. Unsere Blicke trafen sich, und ich konnte sehen, dass er es wusste. Nun war auch er ein Monster in ihren Augen.
Eliza trat einen Schritt auf ihn zu. Es gab keine Worte, um die abgrundtiefe Verachtung in ihrer Stimme zu beschreiben, als sie sagte: »Lucas hat das Monster genährt.«
Totenstille senkte sich über uns alle. Ich dachte verzweifelt nach, was ich antworten könnte, doch mir wollte nichts einfallen. Stattdessen griff ich nach Lucas’ Hand und versuchte, nichts als dies zu spüren: seine Finger zwischen meinen. Ich wollte, dass es nichts als Lucas auf der Welt mehr gab.
»Leute«, begann Lucas noch einmal, »hört mir doch zu.«
Milos hob die Waffe als wortlose Warnung, den Mund zu halten. Lucas brach ab.
Eliza sagte: »Wir müssen diese beiden zu einem der Professoren bringen. Der soll sie untersuchen und herausfinden, wie sie sich verändert haben und warum. Wir brauchen alle Informationen, die wir aus ihnen herauskriegen können. «
Ehe sie sterben sagte sie nicht mehr. Brauchte sie auch nicht.
»Legt sie in Handschellen. Und dann ladet sie in einen der Busse.« Ihre Augen waren kalt, als sie endete: »Schafft diesen Abschaum hier raus.«
Sie hatten unsere Hände mit Handschellen vor dem Körper gefesselt und führten uns zu einem der Busse. Zu meinem Entsetzen saß Dana auf dem Fahrersitz, und sie sah weder mich noch Lucas an, als wir herausgeführt wurden. Fühlte sie sich schuldig? War sie abgestoßen? Oder waren wir ihr längst egal?
Milos saß neben ihr, und er hielt das Weihwasser und Pflöcke griffbereit. Andere Jäger ketteten unsere Handschellen an Metallstangen, die an der Wand des Busses festgemacht waren. Ich hatte mich schon gefragt, wozu die dienten. Nun, jetzt wusste ich es. Dana kam kurz zu uns, um sich zu vergewissern, dass die Ketten fest saßen. Ich starrte sie aus tiefstem Herzen hasserfüllt an – und ich verspürte mehr Hass, als ich je einem menschlichen Wesen entgegengebracht hatte. Sie schien das Gift in meinem Blick nicht zu bemerken, als sie sich zu Lucas umdrehte, um auch seine Handschellen zu überprüfen.
Dann kehrte sie zum Fahrersitz zurück, und wir starteten. Ich wusste, dass uns einige Wagen folgten; die Scheinwerfer fielen durch das Rückfenster des Busses.
»Jede Wette, dass sie diesen anderen Burschen gar nicht verbrannt haben«, sagte Milos, an Dana gewandt. »Wir werden die Augen nach unserem hübschen Jungen offen halten müssen.«
Na toll . Jetzt war Balthazar also auch wieder mit im Spiel.
Verzweifelt sah ich Lucas an. Er sah nicht halb so aufgelöst aus wie ich. Genau genommen sah er überhaupt nicht bedrückt aus. Er wirkte … aufgeregt.
Langsam öffnete er eine seiner Fäuste, sodass ich die Schlüssel für die Handschellen darin sehen konnte.
Wie hatte er das fertiggebracht ?
Dana drehte das Radio des Busses an, und der ganze Innenraum des Wagens war mit einem Schlag von Musik erfüllt. Sofort ging Lucas an die Arbeit und machte sich an
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