Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte
ebenfalls damit, wie viel Sex sie in den Sommerferien gehabt hatten – was allerdings weitaus weniger glaubhaft war. Wenn ich einen Körper gehabt hätte, hätte ich mit den Augen gerollt.
Dann erreichte ich endlich ein Zimmer, dessen zwei Bewohner sich an einem Schachbrett gegenübersaßen, und ich lächelte.
»Dieser Bauer ist jetzt eine Königin, Jungchen«, sagte Vic. »Buh!«
»Deine Seele ist so verdorben wie deine Strategie.« Ranulf runzelte die Stirn, während er darüber nachdachte, was er als Nächstes tun sollte.
Ich konzentrierte mich und nahm eine sichtbare Gestalt an. Sowohl Vic als auch Ranulf schraken zusammen, doch dann begannen sie beide zu lächeln. »Hey, Geister-Lady.« Vic erhob sich von seinem Stuhl wie ein altmodischer Gentleman. »Wie geht’s denn so?«
»Nicht so super«, gab ich zu. »Und wie sieht’s bei euch aus?«
»Wir kämpfen gerade um das angenehmere Bett, das weiter vom Fenster entfernt steht und wo es im Winter nicht so zugig ist«, erklärte Ranulf. »Und später wird Vics iPad zum Einsatz kommen. Wir schauen uns einen Film an, den der Gewinner aussuchen kann. Es steht also viel auf dem Spiel.«
»Mit anderen Worten, es ist alles in Ordnung.« Vic machte eine Pause. »Zumindest in diesem Raum hier. Im sechsten Stock wirst du zwei Typen finden, die weitaus mehr Sorgen haben.«
»Dann lässt Mrs. Bethany sie also zusammenwohnen?« Balthazar hatte mir erzählt, dass er das vorschlagen wollte, und wenn man bedachte, wie die anderen Vampire Lucas gegenübergetreten waren, dann war es mehr als klug, dass Mrs. Bethany dem Plan zugestimmt hatte. Aber ich fühlte mich besser, jetzt, wo ich mir sicher sein konnte. »Tja, das ist ja wenigstens etwas.«
Vic schwieg einige Sekunden lang, was mehr als untypisch für ihn war. Er wich meinem Blick aus und betrachtete stattdessen eingehend das kitschige, alte Elvis-Presley-Poster, das er an die Wand seines Zimmers gehängt hatte. Dann sagte er: »Ich hätte mich freiwillig melden sollen. Um mir einen Raum mit Lucas zu teilen, meine ich. Er braucht seine Freunde um sich, das weiß ich … aber ich …«
»Nein, Vic, das ist schon in Ordnung. Lucas sollte bei Balthazar sein, denn er wird eine Menge Fragen haben, die nur ein erfahrenerer Vampir wird beantworten können.« Es gab noch andere Gründe dafür, warum Vic im Augenblick besser kein Zimmergenosse von Lucas werden sollte, aber Vic diese unter die Nase zu reiben würde zu nichts führen.
»Das ist nicht, was ich meine. Lucas soll wissen, dass ich an ihn glaube. Versteht ihr?«
»Ich weiß. Aber … du musst es abwarten. Du darfst nichts erzwingen wollen.«
Vic nickte und sagte nichts mehr. Die Situation drohte gerade unbehaglich zu werden, als Ranulf seine Königin triumphierend über mehrere Felder seines Schachbretts ziehen ließ. »Ich schätze mal, das bessere Bett gehört mir.«
»Oh, Mann.« Vic schnitt eine Grimasse, und ich musste unwillkürlich lächeln, auch wenn mir gar nicht danach zumute war. Ich winkte den beiden Jungen zum Abschied zu und wurde wieder körperlos. Dann schwebte ich höher bis in den sechsten Stock. Nachdem ich mich in einigen Zimmern umgesehen hatte, fand ich schließlich Lucas und Balthazar. Sie schliefen bereits.
Kein Wunder, dass sie schon zu Bett gegangen waren. Dieser Tag musste für sie beide anstrengend und traumatisch gewesen sein. Ich glaubte nicht, dass sie überhaupt ihre Sachen ausgepackt hatten. Lucas’ Hälfte des Zimmers sah so spartanisch aus wie immer, und für Balthazar schien der Einzug nur darin bestanden zu haben, eine Packung Zigaretten und ein Feuerzeug auf dem Fensterbrett deponiert zu haben. Er selbst wirkte beinahe zu groß und zu breit, um in sein Bett zu passen, und er hatte sich mit dem Gesicht zur Wand zusammengerollt. Lucas – ganz der allzeit bereite Kämpfer – lag auf dem Rücken. Seine großen, mit Narben übersäten Hände ruhten auf der Bettdecke, um, falls nötig, sofort nach einer Waffe greifen zu können. Anders schlief er nur, wenn er mich die ganze Nacht über in seinen Armen hielt.
Auch wenn ich wusste, dass die beiden ihre Ruhe brauchten, fühlte ich mich schlecht, dass ich Lucas vor dem Einschlafen nicht mehr gesehen hatte, und wäre es auch nur gewesen, um ihm süße Träume zu wünschen.
Dann erinnerte ich mich an etwas, das Maxie mir nach Lucas’ Tod beigebracht hatte, und ich lächelte. Vielleicht würde ich ihm doch noch Gute Nacht sagen können.
Ich konzentrierte mich auf Lucas’
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