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Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Titel: Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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Satz nach vorne und riss mich aus Erichs Umklammerung los. Scharfer Schmerz durchzog meine Schulter – Erichs Fingernägel, dachte ich –, aber ich kümmerte mich nicht darum, als ich auf den Boden fiel. Lucas warf sich auf Erich, und die beiden stürzten, ineinander verkeilt, ebenfalls zu Boden. Der Kampf war jetzt noch wilder geworden, und Blut spritzte aus offenen Wunden gegen die Steinwand.
    Silbernes, glänzendes Blut rann durch meine Finger hinab. Es schimmerte auf dem Boden und mischte sich mit Lucas’ rotem Blut in einer Weise, die wunderschön, beinahe betörend aussah.
    Du musst auftauchen , sagte ich mir. Ich hatte einen Schock.
    »Oh, das macht Spaß.« Charity lachte von ihrem Platz auf den Kisten herunter. Sie klatschte in die Hände wie ein kleines Mädchen, das gerade seinen Geburtstagskuchen entdeckt hatte. »Rette sie, Lucas! Rette sie, solange du noch kannst! Oder … vielleicht kannst du ihr auch gar nicht zu Hilfe kommen?«
    In Lucas’ Zügen zeigte sich ein Ausdruck, den ich wiedererkannte, obwohl ich ihn nur einmal gesehen hatte. Ich hatte ihn nie vergessen können: Es war der Ausdruck tiefster Qual, der in der Nacht, als ich starb, auf seinem Gesicht gelegen hatte.
    In diesem Moment begriff ich, dass ich ihn nicht aus dieser Erinnerung würde herausreißen können. Ich erreichte in seinem Traum nichts; ich machte ihn für Lucas lediglich noch bedrohlicher. Und das bedeutete, dass ich verschwinden musste.
    Also löste ich mich vom Ort des Kampfes. Von Lucas.
    Als ich wieder etwas sehen konnte, stand ich in Lucas’ dunklem Schlafzimmer am Fuße seines Bettes. Er wand sich unter seiner Bettdecke, dann wurde sein Körper wieder schlaffer, als er vom Albtraum in tieferen, traumloseren Schlaf hinüberglitt.
    Wenigstens ist es jetzt vorbei , sagte ich mir. Selbst in meiner körperlosen Form konnte ich echte Schmerzen spüren; das war noch nie vorgekommen. Verwirrt sah ich auf meine brennende, pochende Schulter.
    Die Striemen von Erichs Kratzern waren noch immer auf meiner Haut zu sehen, und auf jedem schimmerten Tropfen von silbernem Blut.

7

    Ich verließ den Schlafraum durch die Tür und ging den Flur hinunter, als wäre ich sterblich. Es musste mehr Zeit vergangen sein, als ich bemerkt hatte, denn fast alle Schüler waren bereits zur Ruhe gekommen, schliefen oder machten sich für die Nacht fertig. Ich wollte unbedingt Vic und Ranulf wiedersehen, denn ich hegte die schwache Hoffnung, sie würden mich aufmuntern. Allerdings würde ich sie nicht aus so selbstsüchtigen Gründen aufwecken.
    Außer ihnen, stellte ich fest, gab es praktisch niemanden auf der Welt, mit dem ich mich unterhalten oder den ich beobachten konnte, ohne ihm das Herz schwer zu machen.
    Wie konntest du das alles nur so vermasseln ?, überlegte ich, während ich die lange, steinerne Wendeltreppe hinabstieg. Um mich herum konnte ich das Knacken von Eis hören. Ich hinterließ Spuren, aber ich war an einem Punkt angelangt, an dem mir das relativ egal war. Wir hatten doch nie etwas anderes gewollt, als beisammen zu sein und ehrlich und aufrichtig zu leben, ohne diese ganzen Lügen. Wie konnte es sein, dass nun so viele Menschen verletzt waren?
    Zum ersten Mal ahnte ich, wie leicht es sein würde, Maxies Rat zu befolgen und die Welt der Sterblichen für immer zu verlassen. Sich nicht anstrengen zu müssen und, ohne nachzugrübeln, als blauer Nebel dahinzuschweben, kam mir im Augenblick sehr verlockend vor. Es wäre eine Erleichterung, von Sorgen und Schuld befreit zu sein und keinerlei Verantwortung mehr zu tragen für die Leute, die ich zurückgelassen hatte.
    Ging es allen Geistern so, die in der Evernight-Akademie festsaßen? Vielleicht war festsitzen nicht das richtige Wort. Vielleicht war die Schule auch für sie eine Zufluchtstätte, die sie davor bewahrte, in den Ecken und Gebäuden, in denen sie gespukt hatten, zu verharren, wo sie von Erinnerungen an das Leben gequält wurden, das sie verloren hatten.
    Aber Mrs. Bethany hatte Maxie schon einmal angegriffen, und sie war keine Freundin der Geister. Auf keinen Fall hatte sie im Sinn, ihnen ihre Existenz zu erleichtern.
    Aufmerksam streckte ich mein Bewusstsein wie Fühler aus und suchte nach den anderen Geistern, die hier lebten. Könnt ihr mich hören?
    Keine Antwort. Aber ich konnte eine Regung in der Luft spüren, als ob jemand mich beobachtete.
    Dann begannen die Visionen auf mich einzustürmen.
    Sie waren wie lebendige Tagträume, beinahe wie Halluzinationen – mit

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