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Evernight Bd.1 Evernight

Evernight Bd.1 Evernight

Titel: Evernight Bd.1 Evernight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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meine Sinne waren geschärft. Ich konnte praktisch jede Faser meiner Bettdecke an meiner Wange spüren, und ich hörte nicht nur meine Eltern, die sich im Wohnzimmer unterhielten, sondern auch Geräusche aus den Räumen mehrere Stockwerke unter uns: Professor Iwerebon, wie er jemanden anschrie, der versuchte, nach einer durchfeierten Nacht wieder ins Schulgebäude zu schleichen, Schritte auf dem Steinfußboden, einen tropfenden Wasserhahn irgendwo. Wenn ich es versucht hätte, hätte ich vielleicht die Blätter zählen können, die am Baum vor dem Fenster raschelten. Als ich meine Augen öffnete, blendete mich das Tageslicht geradezu.
    Zuerst glaubte ich, dass sich meine Eltern geirrt hatten. Ich war über Nacht eine wirkliche Vampirin geworden, und das bedeutete, dass Lucas …
    Nein. Mein Herz schlug noch immer. Solange ich lebte, lebte auch Lucas. Ich konnte nicht sterben und meine Wandlung in eine Vampirin vollziehen, ehe ich nicht ein Leben genommen hatte.
    Aber wenn das so war, was geschah dann mit mir?
     
    Während des Frühstücks erklärte Dad es mir: »Du spürst die ersten Anzeichen davon, wie es sein wird, wenn du dich verwandelst. Du hast das Blut eines lebenden Wesens getrunken; jetzt weißt du, wie es sich bei dir auswirkt. Später wird es noch mächtiger werden.«
    »Ich hasse es.« Ich kniff im grellen Licht unserer Küche die Augen zusammen. Selbst die Hafergrütze, die Mum für mich gemacht hatte, schmeckte überwältigend stark; es war, als könne ich noch die Wurzeln, die Halme und die Erde schmecken, in der der Hafer herangereift war. Mein morgendliches Glas Blut hingegen hatte nie fader geschmeckt. Ich hatte es immer genossen, aber nun stellte ich fest, dass es nur ein schwacher Abklatsch von dem war, was ich eigentlich trinken sollte. »Wie haltet ihr das nur aus?«
    »Es ist nicht immer so stark wie beim ersten Mal. Das, was du jetzt und heute spürst, wird vermutlich in den nächsten ein oder zwei Stunden abklingen.« Mum tätschelte mit einer Hand meine Schulter. In der anderen hielt sie ihr eigenes Glas Blut und schien offensichtlich sehr zufrieden damit. »Und später - na ja, man gewöhnt sich nach einer Weile an die Reaktionen. Das ist auch ganz gut so. Sonst würde niemand von uns viel Schlaf bekommen.«
    Mein Kopf pochte bereits von der Überreizung. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie mehr als ein halbes Glas Bier getrunken, aber ich nahm an, dass sich so ein Kater anfühlte. »Ich würde mich da lieber nicht dran gewöhnen, vielen Dank.«
    »Bianca.« Dads Stimme klang scharf vom Ärger, den er sich in der vergangenen Nacht nicht hatte anmerken lassen. Selbst Mum sah überrascht aus. »Lass mich solche Reden nie wieder hören.«
    »Dad, ich meinte doch nur…«
    »Das ist dein Schicksal, Bianca. Du wurdest geboren, um eine Vampirin zu werden. Das hast du vorher nie in Frage gestellt, und ich schlage vor, dass du das auch jetzt nicht tust. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?« Er griff nach seinem Glas und marschierte aus dem Zimmer.
    »Eindeutig«, sagte ich mit schwacher Stimme in Richtung der Leere, die er hinterlassen hatte.
    Als ich in Jeans und mit meinem hellgelben Kapuzenpullover wieder nach unten ging, normalisierten sich meine Sinne bereits wieder. In gewisser Weise war ich erleichtert. Das Strahlen und die Dunkelheit hatten mich beinahe überwältigt, und wenigstens musste ich nun nicht mehr hören, wie sich Courtney über ihre Haare aufregte. Allerdings spürte ich auch eine Art von Verlust. Was meine normale Welt gewesen war, fühlte sich nun seltsam still und weit weg an.
    Aber alles, was wirklich zählte, war, dass es mir wieder besser ging und ich Lucas besuchen konnte. Mir war klar, dass er nach dem, was geschehen war, auf keinen Fall schon wieder auf den Beinen sein konnte, aber wenigstens durfte ich ihm einen Besuch in der Wohnung von Mrs. Bethany abstatten. Er musste so entsetzt gewesen sein, als er dort aufwachte, und wer wusste schon, was Mrs. Bethany ihm für eine Geschichte aufgetischt hatte? Allein der Gedanke daran bewirkte, dass sich mein ganzer Körper anspannte, als ob ich einen Schlag erwartete. Mum schwor, dass sich Lucas an nichts erinnern würde, aber wie sollte das möglich sein? Als es passierte, hatte ich nicht darüber nachgedacht, aber nun war mir klar, dass mein Biss höllisch wehgetan haben musste. Ganz bestimmt hatte er einen Schock und war wütend, vermutlich auch verängstigt. Ich wusste, ich sollte darauf hoffen, dass er

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