Evernight Bd.1 Evernight
würde perfekt werden«, flüsterte ich.
»Ich wünschte, so wäre es auch gekommen, Liebes.« Sie saß neben meinem Bett und streichelte mir die Haare, wie sie es immer getan hatte, als ich noch klein gewesen war. »Morgen sieht alles schon wieder viel besser aus. Du wirst sehen.«
»Bist du sicher, dass Lucas kein Vampir ist, wenn er aufwacht?«
»Ganz sicher. Lucas hat nicht mal annähernd so viel Blut verloren, dass sein Leben in Gefahr wäre. Und es war doch das erste Mal, dass du ihn gebissen hast, oder?«
»Stimmt.« Ich schniefte.
»Nur Menschen, die mehrere Male gebissen wurden, werden zu Vampiren, und selbst dann nur, wenn der letzte Biss tödlich war. Und wir haben es dir ja schon erklärt: Jemanden zu töten, indem man sein Blut austrinkt, ist eine ganz schön schwere Arbeit. Auf jeden Fall muss man sterben, um ein Vampir zu werden, und Lucas wird überleben.«
»Ich bin eine Vampirin, und ich bin nie gestorben.«
»Das ist was anderes, Liebes. Das weißt du. Du bist als etwas Besonderes geboren.« Mum berührte mein Kinn und drehte meinen Kopf, sodass wir einander in die Augen blickten. Hinter ihr sah ich den Gargoyle grinsen, als ob er uns belauschte. »Du wirst keine wirkliche Vampirin werden, bis du jemanden tötest. Sobald du das tust, wirst du ebenfalls sterben - aber nur für eine kurze Weile. Es wird dir nur wie ein Nickerchen vorkommen.«
Natürlich hatten mir meine Eltern all das schon mindestens tausendmal erzählt, so wie sie mir sagten, ich solle meine Zähne putzen, bevor ich ins Bett ging, oder meinen ganzen Namen und die Telefonnummer nennen, wenn jemand anrief, während sie weg waren. Die meisten Vampire töten niemals jemanden, hatten sie gesagt, und auch wenn ich es mir nicht vorstellen konnte, jemanden zu verletzen, beharrten sie darauf, dass es Mittel und Wege gäbe, wie es in Ordnung wäre. Wir waren meine Umwandlung immer und immer wieder durchgegangen: Ich könnte in ein Krankenhaus oder ein Altersheim gehen, mir jemanden suchen, der wirklich alt war oder kurz vor dem Tod stand, und es so erledigen. Sie hatten mir immer gesagt, dass es ganz leicht werden würde, dass ich jemanden von seinem Leiden erlösen und ihm vielleicht sogar die Möglichkeit eröffnen würde, für immer als Vampir weiterzuleben, wenn wir vorausplanen und sicherstellen würden, dass ich mehr als eine Gelegenheit zum Trinken bekäme. Die Erklärung war rein und sauber, und genau so wollten sie mich haben, sobald ich mein Zimmer verließ.
Was zwischen Lucas und mir geschehen war, hatte bewiesen, dass die Realität nicht so einfach war wie die Versicherungen meiner Eltern.
»Ich muss keine Vampirin werden, ehe ich nicht dazu bereit bin«, sagte ich. Auch das hatten sie mir zahllose Male vorgebetet, und ich rechnete nun damit, dass meine Mutter mir automatisch zustimmen würde. Stattdessen jedoch schwieg sie einige Momente lang. »Wir werden sehen, Bianca, wir werden sehen.«
»Was meinst du damit?«
»Du hast das Blut einer lebenden Person gekostet. Das heißt im Grunde so viel wie, dass du das Stundenglas gedreht hast. Dein Körper wird nun irgendwann anfangen, wie ein Vampir zu reagieren.« Ich musste sie voller Entsetzen angesehen haben, denn sie drückte meine Hand. »Mach dir keine Sorgen. Es ist nicht so, dass du dich noch in dieser Woche verwandeln musst, vermutlich nicht einmal in diesem Jahr. Aber dein Drang, die Dinge zu tun, die wir tun, wird nun stärker und immer fordernder werden. Außerdem liegt dir etwas an Lucas. Ihr beide werdet euch von jetzt an… nun ja, sehr zueinander hingezogen fühlen. Wenn sich dein Körper so schnell verwandelt wie dein Herz, dann ist das eine mächtige Kombination.« Mum lehnte den Kopf gegen die Wand, und ich fragte mich, ob sie an eine Nacht des Jahres 1600 dachte, als sie noch lebendig gewesen war und Dad ein schöner, geheimnisvoller Fremder. »Versuch, nichts zu überstürzen.«
»Ich werde stark sein«, versprach ich.
»Ich weiß, dass du es versuchst, Liebes. Mehr können wir nicht von dir verlangen.«
Was meinte sie damit? Ich wusste es nicht, und ich hätte fragen sollen. Aber ich konnte nicht. Die Zukunft raste zu schnell auf mich zu, und ich fühlte mich so müde, als ob ich schon seit Tagen auf den Beinen wäre. Ich schloss meine Augen fest, als ich mein Gesicht ins Kopfkissen drückte und mich nach dem seligen Vergessen des Schlafes sehnte.
Noch bevor ich am nächsten Morgen meine Augen aufschlug, bemerkte ich den Unterschied.
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