Evers, Horst
der erschrockene Onkel rechts
ranzufahren, was allerdings in einem Kreisverkehr nicht immer die beste Wahl
ist. Dabei muss er wohl den Sattelschlepper vom Sägewerk übersehen haben, der,
laut Onkel Herbert, allerdings «so dämlich aus dem Schatten rausgefahren kam,
den konnte man gar nicht sehen. Keiner hat den gesehen!». Um Onkel Herberts
Opel Rekord auszuweichen, musste nun dieser Sattelschlepper so scharf bremsen,
dass sich sein vollbeladener Hänger quer stellte und in bedrohliche Schieflage
geriet. Für den in hoher Geschwindigkeit und mit Blaulicht auf die Kreuzung
zurasenden Feuerwehrwagen war jetzt die Lücke zu, weshalb dieser mit allen
Bremsen bremste, sich gleichfalls quer stellte und mit quietschenden Reifen auf
den schon wackligen Sattelschlepperhänger zuschlitterte. Allerdings konnte der
hervorragende Feuerwehrwagenfahrer durch geschickte Lenkbewegungen die
Geschwindigkeit immerhin noch so verringern, dass der Aufprall relativ sanft
erfolgte und niemand ernsthaft verletzt wurde, ja sogar der Hänger des
Sattelschleppers hielt noch gerade so die Balance, weshalb also alles nochmal
gutgegangen wäre - wäre nicht der mittlerweile völlig verwirrte Onkel Herbert
nun nach einer weiteren Runde im Kreisverkehr krachend in den Feuerwehrwagen
reingerauscht, was auch dem Sattelschlepperhänger den finalen Stoß versetzte,
sodass dieser nun wie in Zeitlupe kippte und seine rund dreißig großen,
schweren Baumstämme auf Kreisverkehr und Straße polterten.
So weit,
so gut.
Hieraus
ergaben sich verschiedene Probleme. Einmal brauchte der Einsatzwagen der
Feuerwehr jetzt für sich selbst wieder einen Rettungswagen und auch noch einen
weiteren Feuerwehrwagen für den eigentlichen Zielort, den kleinen Brand in der
Reifenfabrik, der aber nicht mehr erreichbar war, da der einzige Zufahrtsweg
nun durch mehrere riesige Baumstämme blockiert war. Zu diesen wiederum kam
aber auch kein Kran oder Gabelstapler vom Sägewerk durch. Zudem trafen die
restlichen Polizei- und Krankenwagen ein, die ebenfalls zum Brand in der
Reifenfabrik wollten und mit dem normalen Berufsverkehr nun hupend auf der blockierten
Kreuzung standen. Mehr und mehr eingehüllt vom Qualm der brennenden
Reifenfabrik. Ein dunkler Qualm, der noch für eine zusätzliche Beunruhigung
unter den wartenden Verkehrsteilnehmern sorgte, welche sich wohl nur durch
massiven Einsatz aller verfügbaren Hupen bekämpfen ließ, was der eigentlich
beschaulichen Kleinstadt immerhin plötzlich eine erstaunliche Weitläufigkeit
und Urbanität verlieh.
Der
polizeiliche Befehl, die bestuhlte Gartenterrasse des Bahnhofshotels räumen zu
lassen, um den gesamten Verkehr über diese Terrasse, also quasi den Garten des
Hotels, umzuleiten, wurde später übrigens heftig kritisiert. Vor allem vom
Inhaber des Hotels, erst recht, da auch noch sein verfeindeter Bruder, der das
andere große Hotel der Stadt besitzt, als er von der Umleitung gehört hatte,
sofort mit seinem Privatwagen dorthin gerast war, um auch über die Terrasse zu
fahren, dabei aber vermeintlich versehentlich kurzzeitig die Kontrolle über
sein Fahrzeug verloren und das gesamte Blumenbeet des Hotels umgepflügt hatte.
Diese Szenerie nun bot sich uns beim Aussteigen aus dem Zug. Onkel Herbert
hatte wirklich Wort gehalten. Das war ganz, ganz großer Bahnhof.
Später
bekam Onkel Herbert noch ein bisschen Probleme, als er wegen des ganzen
Schlamassels den Führerschein abgeben sollte und sich dabei herausstellte,
dass er nie einen besessen hatte: «Führerschein hab ich nicht. Was soll der
Quatsch? Hab ich nie gebraucht! Hat nie einer gefragt. Ich fahr seit sechzig
Jahren unfallfrei! Mich kennen doch hier alle, was brauch ich denn da einen
Führerschein?» Sodass er jetzt eigentlich minus einen Führerschein hat, also
genau genommen einmal den Führerschein machen müsste, um dann wieder keinen
Führerschein mehr zu haben. Als ich ihn später fragte, warum er denn in dem ganzen
Chaos auf der Kreuzung eigentlich so ruhig stehen und lächeln konnte, erklärte
er mir: «Ach, weißt du, als ich das gesehen hab, wie der Sattelschlepperhänger
langsam kippt, da dacht ich schon: oh, oh, oh, oh, oh, das kann richtig Ärger
geben. Aber sogar richtig großen Ärger! Da mach mal jetzt lieber dein Hörgerät
aus.» Und genau deshalb ist er, glaube ich, auch so froh, dass er das hat.
Wildschweine oder
Was würde Captain Kirk jetzt tun?
Donnerstagnacht,
0.30 Uhr. Sitze mit Bernd im «Yorckschlösschen» und bin
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