Evers, Horst
verzweifelt. Seit rund
einer Stunde erklärt mir Bernd nun schon, wie er dieses Bohrloch da bei der
Ölplattform, im Golf von Mexiko, schließen würde. Das sei nämlich im Prinzip
ganz einfach, wenn man sich nur mal nach Bernds Vorgaben richten würde. Ob BP
jetzt diese Lösung mit Absicht zurückhält oder ob die schlicht nur unfähig
sind, kann auch Bernd allerdings nicht mit letzter Bestimmtheit sagen. Manche
Dinge will man lieber gar nicht so genau wissen, aber da es ja nicht
ausgeschlossen ist, dass Bernd als einziger Mensch weltweit diese doch
eigentlich so naheliegende Lösung entdeckt hat, deshalb erklärt er sie jetzt
auch mir. Dann sind wir doch zumindest schon mal zwei. Also erklärt er mir mit
gewaltigem sprachlichem Aufwand seinen wohl irgendwie mechanisch-hydraulischen
Ansatz, dieses Bohrloch zu schließen. Seit mittlerweile gut einer Stunde. Für
mich eine schier ausweglose Situation. Wenn ich die Wahrheit sage, also zugebe,
dass ich nicht im Entferntesten verstehe, was er da eigentlich die ganze Zeit
redet, wird das nur zur Folge haben, dass er alles nochmal wiederholt,
allerdings noch langsamer, verschwiemelter und, sein wichtigster pädagogischer
Trick, doppelt so laut, damit ich es diesmal besser verstehe. Behaupte ich, ich
hätte alles verstanden und er habe vollkommen recht, wird er nur in noch
größerer Erregung auf mich einreden, ich müsse jetzt all meine Energie und
meinen Einfluss für die Verbreitung seiner Lösung nutzen, also für die Rettung
der Schöpfung. Sage ich jedoch, er hat unrecht, wird er natürlich so lange
weiter auf mich einreden, bis ich meinen Irrtum gestehe. Bin ich noch ehrlicher
und sage, das Ganze interessiert mich gar nicht, wird es am allerschlimmsten,
und wähle ich schließlich die letzte Option, also lüge, das sei hochinteressant,
aber ich sollte jetzt sofort nach Hause gehen, weil ich früh raus müsse, dann
wird er morgen wieder auf der Matte stehen, um das Thema nochmal in Ruhe zu
besprechen. Eine vollkommen ausweglose Situation eben. Wenn Captain Kirk mit
dem Raumschiff Enterprise in solche Situationen gerät, dann weiß er, was zu tun
ist. Er leitet die Selbstzerstörung ein. Das ist wohl auch jetzt für mich die
klügste Lösung. Rettung durch so eine Art Selbstzerstörung. Da ich nicht
rauskomme, fliehe ich nach innen, also bleibe still sitzen und versuche, mich
möglichst schnell so grundlegend zu betrinken, bis ich für Bernd praktisch
nutzlos geworden bin.
Solchen
ausweglosen Situationen begegne ich leider häufiger. Vielleicht nicht so häufig
wie Captain Kirk, aber doch häufiger, als man denkt. Beispielsweise bei der
Wildschweinproblematik. Die Wildschweine in Deutschland sind ja ein Problem,
über das nur selten berichtet wird. Dabei werden die Schwierigkeiten, vor denen
wir stehen, immer größer. Wir haben nämlich in Deutschland viel zu viele
Wildschweine. Vor ein paar Jahren hat diese Wildschweinschwemme angefangen und
wuchs dann mit jedem neuen Frühjahr weiter an. Keiner weiß genau, wo diese
ganzen Wildschweine hergekommen sind. Vermutlich hat der natürliche Feind vom
Wildschwein nicht aufgepasst. Wobei ich aber auch gar nicht weiß, wer jetzt so
genau ,der natürliche Feind vom Wildschwein ist. Wahrscheinlich der
Landgasthof. Oder Obelix. Oder Wölfe.
Gestoßen
bin ich auf diese Wildschweinproblematik in der Rhön, wo ich jedes Jahr im
Sommer und Herbst Ferien auf einem Reiterhof mache. Ich werde häufig gefragt,
warum ich eigentlich immer wieder auf diesen Reiterhof fahre. Hierzu sollte man
wissen, dass ich mich für Pferde überhaupt gar nicht interessiere. Also wirklich
kein Stück, null, nix, auch dieses ganze Reiten und so, hör mir bloß auf.
Furchtbar. Diese Reiterei und diese Pferde können mir wirklich gestohlen
bleiben.
Insofern
ist es schon verständlich, wenn mich viele Freunde fragen, warum ich jedes Jahr
wieder auf diesen Reiterhof fahre. Die Erklärung ist denkbar einfach: Wenn ich
schon mal Ferien habe, dann möchte ich in diesen Ferien auch so richtig frei haben.
Möchte nichts, aber auch gar nichts machen müssen. Und da ist es dann
natürlich sinnvoll, irgendwo hinzufahren, wo einen das, was dort ist, aber
wirklich überhaupt nicht interessiert. Wo man eben gleich morgens schon sagen
kann: «Gott, da muss ich jetzt aber echt nicht hin. Da verpasse ich ganz sicher
nichts. Da kann ich ohne schlechtes Gewissen liegen bleiben.» Und in der
Beziehung habe ich mich mit dem Reiterhof nun eigentlich ganz schön
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