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Evers, Horst

Evers, Horst

Titel: Evers, Horst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fuer Eile habe ich keine Zeit
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Daaaarrrm,
ooohne Mayooo, Bouleeeetten, extraaa Zwiebeln, extraaaschaaarf...»
    Dann bin
ich plötzlich dran. Der Imbissmann lächelt mich an. Ich schaue zurück und
versuche verzweifelt, nicht zu weinen. Merke dann doch, wie eine Träne aus dem
Auge zu tropfen dräut.
    Der Imbissmann sagt: «So, das sind
dann bei Ihnen zwei Curry mit Darm, eine ohne, mit extra Zwiebeln, extrascharf,
eine Pommes rot-weiß, zwei nur rot, drei Bouletten, ein Fleischspieß und zwei
Kaffee mit viermal Brötchen.» Ich starre ihn wortlos an.
    Er sagt, er habe die Bestellungen
meiner Freunde ja die ganze Zeit verfolgt und sich das eben gemerkt. Jetzt
heule ich richtig. Mein Held!
    Er fragt,
ob ich denn auch etwas möchte. Unter Tränen sage ich: «Nein, nur ein
Autogramm.»
    Er pikt in
eine Krakauer und spritzt mit dem Wurstfett seinen Namen auf eine Serviette.
Geschickt ist er auch noch. Zwanzig Minuten später warte ich an der
Bushaltestelle auf den Bus nach Hause. Ein abgerissen aussehender Mann sitzt
auf dem Bänkchen und starrt mit gläsernen Augen vor sich hin. Setze mich neben
ihn und schaffe es direkt, genauso gläsern wie er zu starren. Er sagt: «Und?
Auch im Tanztheater gewesen?»
     
    Nach einer
sehr langen Pause nicke ich. «Wir haben einfach kein passendes Getränk
gefunden, um darüber zu reden, obwohl wir wirklich alles versucht haben.» Er
legt mir eine Hand auf die Schulter. «O ja, das kenn ich gut. Da kann man
leider gar nichts machen.» Als wir in den Bus steigen, sagt der Mann plötzlich
zur Fahrerin: «Schon Ende der siebziger Jahre stand das Tanztheater der
Pina-Bausch-Tradition für ein Theater des befreiten Körpers und des befreiten
Geistes.»
    Die
Busfahrerin lächelt und antwortet: «Und Sasha Waltz hat diesen Gedanken des
Tanztheaters im Dialog mit Gebäuden und Gegenständen aufgenommen.» Und ich denke,
entweder bin ich jetzt verrückt geworden oder an der Bushaltestelle
eingeschlafen. Ich weiß nicht, was mir lieber wäre.
     
    HERBST
     
    Die Leute,
die niemals Zeit haben,
    tun am
wenigsten.
    Georg Christoph Lichtenberg, deutscher
Denker
     
    Der weinende Engel
     
    Die
Buchmesse in Frankfurt. Stehe im Gang in der Halle vor irgendeinem Verlagsstand
und denke einen für die Buchmesse sehr typischen, weitverbreiteten Gedanken.
Ich überlege, in welche Richtung es wohl kürzer zur Toilette ist. Bin unsicher.
Komme mir verloren vor. Warum bin ich hier? Warum sind die anderen hier? Und
warum sind wir es gleichzeitig? Obwohl, ohne all die anderen und die ganze
Buchmessendekoration wäre die Halle vermutlich auch nicht sehr viel schöner
oder gastlicher. Vor und neben mir sausen unzählige Leute mit Diktiergeräten,
Notizblöcken, Mikrophonen oder Kameras herum. Man hat das Gefühl, hier kommen
auf jeden Besucher zwei Journalisten. Deshalb scheinen auch alle permanent auf
der Suche nach jemandem, den sie interviewen können. Zwei Menschen mit einer
Kamera, die wohl für irgendeinen
Internet-Fernseh-Sparten-Portal-Blogger-Web-TV-2.0-schlag-mich-tot-Sender oder
so etwas Ähnliches unterwegs sind, fragen mich, ob ich auch ein Autor bin.
Sage, ich glaub schon, also zumindest behauptet mein Verlag das.
    Sie freuen
sich. «Endlich», jubelt der eine und spricht ohne Umschweife das strenge
Urteil: «Dann werden wir Sie jetzt interviewen.» Er zückt das Mikrophon,
während der andere, der die Kamera trägt, gleich noch das Strafmaß verkündet:
«Dauert nur fünf Minuten!»
    Ich
erkläre ihnen, ich sei eigentlich gerade auf dem Weg zur Toilette.
    «Höhö, die
läuft Ihnen ja nicht weg», lacht der eine, und ich bin unglaublich stolz
darauf, dass ich jetzt diese ganze Legion von niveaulosen, unappetitlichen
Toilettenwitzen, die sich aber so was von aufdrängen würden, allesamt nicht
mache, sondern in angemessener Würde schweige. Jeder, der schon einmal einen
schlimmen und billigen Witz nicht gemacht hat, obwohl er die Möglichkeit dazu
gehabt hätte und es eigentlich auch ganz spontan und inhaltlich sogar
irgendwie passend gewesen wäre, der sich also trotz guter Aussicht auf
relativen Erfolg diesen schlimmen und billigen Witz dann einfach verkniffen
hat, der weiß, was für ein erhebendes Gefühl es sein kann, wenn man dem
schlimmen und billigen Witz im eigenen Kopf widerstanden hat, ihn einfach nicht
rausgelassen hat, sozusagen den inneren Kalauer besiegt hat. In Andalusien sagt
man: Jeder schlechte Witz, der nicht gemacht wurde, lässt einen Engel lachen.
Der andere, also der Kameramann, prustet los: «Hihi, nee,

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