Evers, Horst
Friedrich Merz' Buch «Mehr Kapitalismus wagen» konnte ich immerhin zwei
Schülerzeitungsredakteure aus Frankfurt-Sachsenhausen davon überzeugen, dass
ich im Auftrag von Friedrich Merz und mehreren großen Firmen dieses Buch für
ihn geschrieben hätte.
Ein Mensch
von einem Lokalradio in Wuppertal war zwar sehr überrascht, als ich ihm
mitteilte, ich sei Nora Roberts. Die hatte er sich viel zierlicher und wohl auch
weiblicher vorgestellt. Aber als ich äußerst tränenreich jeden einzelnen Baum,
der für meine Bücher hat sterben müssen, um Verzeihung bat, hat ihn das doch
überzeugt. Am Ende hatte ich mich für siebzehn Bücher entschuldigen können. Nur
bei Henryk M. Broders «Kritik der reinen Toleranz» kam ich zu spät, dafür
hatten sich schon drei andere entschuldigt. Trotzdem, ein Anfang ist gemacht.
Im Frühjahr, auf der Buchmesse in Leipzig, geht es dann weiter. Ich fürchte,
ich werde noch Jahrzehnte zu tun haben.
Gutenberg 2.0
Jetzt ist
es also doch gelungen. Die ungeheuerliche und umfassende Revolution in der
Welt des Buches. Das E-Book ist wirklich da, und es funktioniert tadellos. Ein
elektronisches Buch, also ein Bildschirm mit Speicher in Buchform, der wenigstens
dreihundert Bücher speichern kann. Eine großartige, überfällige Erfindung, auf
die so viele gewartet haben. So viele. Wie oft haben wir im Stadtbild die armen
Menschen bedauert, die sich ständig mit dreihundert Büchern abschleppen
mussten, weil sie sich einfach nicht entscheiden konnten, welches Buch sie denn
jetzt zuerst lesen sollen. Damit ist nun endlich Schluss. Endlich können sie
immer und überall dreihundert Bücher bei sich haben. Nie mehr muss man Angst
haben, es könnte einem plötzlich der Lesestoff ausgehen, weil man versehentlich
mehr als drei Bücher an einem Nachmittag gelesen hat. Erneut ist eines der
großen, klassischen Probleme unseres Alltags gelöst. Wobei ich befürchte, wenn
es in unserem Alltag ein Problem mit dem Buch an sich gibt, dann ist das noch
ein wenig anders gelagert. Die erste Frage eines Besuchers bei der großen und
spektakulären Präsentation des ersten E-Books auf der Frankfurter Buchmesse
2008 gibt hier mehr Aufschluss. Die erste Frage zum E-Book war: «Kann man damit
denn auch DVDs gucken?» Was, wie ich vermute, die Erfinder des E-Books und ähnlicher
Geräte häufig unterschätzen, sind die beiden wesentlichen Zusatzfunktionen des
Buches. Da ist einmal das Buch als Geschenk. Ein Datensatz verschenkt sich
nicht sehr schön, er macht längst nicht so viel her, und man kann auch nur ganz
schlecht eine Widmung reinschreiben, also zumindest nicht handschriftlich.
Dazu kommt zweitens die große Bedeutung des Buches als Statussymbol. Natürlich
ist das, was im Buch drinsteht, wichtig, die Geschichte, der Aufbau, die
Sprache, das ist alles sehr wichtig bei einem Buch, keine Frage, aber auch der
reine Gegenstand des Buches, die Trophäe sozusagen, hat einen großen Wert. Die
überbordenden heimischen Bücherregale, der eigene stolze, sentimentale
Archivarblick darauf, die staunende Anerkennung von Besuchern, die in der
schönen Frage «Haste die alle gelesen?» mündet - all das kann ein unscheinbar
wirkendes E-Book, welches in der Schublade liegt, niemals bieten. Außerdem hat
ein richtiges, ein analoges Buch in der Hand immer auch eine Signalwirkung,
trifft immer eine Aussage über seinen Leser: «Seht her, ich bin jemand, der
liest, ein kluger Kopf, ich kann lesen, ich lese, ich lese, seht alle her, ich
lese, hoho!»
Wie
nebenbei findet auch ein nicht zu unterschätzender Imagetransfer vom Titel oder
Autor des Buches auf den Leser statt. Wenn man zum Beispiel in ein Café geht
und es sitzt eine junge, hübsche Frau am Nachbartisch, dann denkt man doch:
«Ach, guck mal, da sitzt eine junge, hübsche Frau. Warum denn auch nicht, mir
ist es recht.» Wenn die jetzt aber ein Buch in der Hand hat, sagen wir mal von
Marcel Proust «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit», dann wird aus der
jungen, hübschen Frau sofort eine junge, intelligente, hübsche Frau. Dabei kommt
es selbstverständlich sehr auf das jeweilige Buch an. Das richtige Buch in der
Hand kann einen Menschen komplett verändern, mehr als es jedes Kleidungsstück
oder jede Frisur jemals könnte. Wer zum Beispiel schon einmal einen
Hells-Angel-Rocker mit Fontanes «Effi Briest» gesehen hat, der wird das sofort
verstehen.
Oder
nehmen wir ein anderes Beispiel. Würde jetzt hier in Berlin irgendwo die
Angelina Jolie einfach
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