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Evers, Horst

Evers, Horst

Titel: Evers, Horst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fuer Eile habe ich keine Zeit
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ist. Allerdings bin ich mit meiner Tasse schon viel zu nah, um noch
unauffällig zu einem anderen Stuhl gehen zu können. Er hat mich bereits
bemerkt, ich muss etwas sagen, also rufe ich geistesgegenwärtig: «Ey, Mann,
Herr Grass, Literaturnobelpreis hin oder her, das hier ist mein Stuhl, geh
gefälligst woanders sitzen!» Nein, Quatsch, das habe ich natürlich nicht
gerufen. Ich würde niemals so etwas tun, im Gegenteil. Um Herrn Grass nicht zu
kompromittieren, sagte ich vielmehr wörtlich: «Guten Tag, Herr Grass, möchten
Sie einen Kaffee?» Was Günter Grass erfreut annahm, womit ich ihm nach dem
Stuhl auch noch meinen Kaffee überließ, woraufhin Günter Grass gleich für
seinen Stab noch acht weitere Kaffees bei mir orderte, weshalb ich für die
zwölf Minuten, die Günter Grass in diesem Aufenthaltsraum blieb, die Rolle des
Kellners beibehielt. Eben, um Günter Grass nicht in Verlegenheit zu bringen
oder, noch schlimmer, ihn gar unnötig zu verwirren. Gesprochen habe ich mit
Günter Grass nichts weiter, obwohl man sich, so glaube ich, mit ihm ganz gut
über Fußball unterhalten kann, aber ich war ja voll und ganz mit Kellnern
beschäftigt.
    Günter
Grass jedoch, der wohl noch die letzten Sätze meines Auflockerungstextes vor
seinem Interview mitbekommen hatte, ließ mir dann später über eine seiner
Mitarbeiterinnen ausrichten, er, Günter Grass, sei froh, dass ich auch
schreibe, denn als Kellner sei ich ja nun wahrlich nicht besonders gut.
    Die Frage,
ob ich den Satz «Besser er schreibt, als dass er kellnert!» von ihm über mich
als Zitat verwenden dürfe, habe ich mich dann allerdings nie zu stellen
getraut.
     
    Wir feiern den Tag der Deutschen Einheit
     
    Freitagnachmittag.
Ich war mit der Tochter und noch drei anderen Kindern im Kino. Es lief
«WALL-E», dieser Animationsfilm über einen Roboter, der auf der völlig
zugemüllten Erde vergessen wird und dann deshalb Hunderte von Jahren nichts
anderes macht, als ganz allein diese Erde aufzuräumen. Ein super Film, haben
alle Kritiker geschrieben. Ein Riesending, auch künstlerisch, hatte ich
gelesen. Da war ich natürlich froh, da konnte ich den Kindern schön Kultur
bieten, trotzdem war es lustig, bequem, überdacht, und so viel rumlaufen wie im
Museum oder im Zoo musste man auch nicht. Aber eben pädagogisch wertvoll. Das
sagten alle anderen Eltern und sogar die Kinder, als sie sich während des
Abspanns wieder aus den Kinosesseln erhoben. Diese Roboter sind ja so niedlich,
so menschlich. Was gibt es Menschlicheres als Roboter? Und dazu dann noch eine
tolle konsumkritische, sehr nachdenkliche Botschaft: Die Menschen haben die
Erde zerstört, weil sie sie völlig vermüllt haben. Müll, Müll, Müll, Müll,
Müll, nix als Müll. Nichts wächst mehr auf der Erde der Zukunft, keine Pflanze,
kein nichts, nur Müll, weil die Menschen sich vollkommen dem totalen,
überbordenden, gedanken- und sinnlosen Konsum hingegeben haben. Schön, mal
vorgeführt zu bekommen, wo so was endet. Endlich mal ein Film mit einer wirklich
wertvollen Botschaft. Ein Film, der über den Tellerrand rausguckt. Da sind
sich beim Rausgehen absolut alle einig.
    Als nach
dem Abspann schließlich das Licht wieder angeht, fällt unser Blick auf die von
Pappbechern, Popcornresten, Plastiktütchen und sonstigem Müll übersäten
Sitzreihen. Im Foyer ist anlässlich der «WALL-E-Premierenwoche» eine Art
Merchandising-Pyramide aufgebaut. Hier gibt es manch nützlich Ding:
WALL-E-Puppen, WALL-E-Miniroboter, WALL-E-Tassen, WALL-E-Bücher, WALL-E-Plakate,
WALL-E-Taschen, WALL-E-Feuerzeuge, WALL-E-Zauberwürfel, WALL-E-T-Shirts,
WALL-E-Selbstbausätze und noch einiges mehr. Ganz besonders gefällt mir so ein
WALL-E-Blinkdings aus weißem Plastik, welches ständig «rrrhh-rrrhh» und
«öh-öh-öh-öh-öh» macht und bei dem natürlich niemand genau weiß, wozu es
eigentlich gut ist, außer dass es eben blinkt und «rrrhh-rrrhh» und
«öh-öh-öh-öh-öh» macht. Aber letztlich besteht ja auch gerade darin sein
spezieller Reiz. Ich lächle. So viel Spaß kann es machen, die Welt vor
sinnlosem Konsum zu retten. Zumindest wenn Disney/Pixar die Sache in die Hand
nehmen. Ein circa sechsjähriger Junge hat sich an den Stand geklammert und
will irgendwas haben. Die Mutter macht ihn darauf aufmerksam, dass er
eigentlich schon ausreichend Spielsachen zu Hause hat und sie persönlich jetzt
keine zwingende Notwendigkeit sieht, seinen wohldurchdacht zusammengestellten
Fundus an Spiel- und Lehrmaterialien

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