Everybodys Darling, Everybodys Depp
Überzogenes, Schädliches oder Überflüssiges verlangt und ich zudem auch Lust habe, meiner Mutter so einen Gefallen zu tun. Oder natürlich, wenn sie mich wirklich braucht und auf meine Unterstützung angewiesen ist. Schließlich liebe ich sie und will für sie da sein, wenn es nötig ist. Aber wenn ich an die überehrgeizigen Tennis- oder Eislaufmütter denke, die ihre Kinder regelrecht missbrauchen, weil sie kein Nein erdulden, kann diese Regel nicht kritiklos gelten.
Wem nutzt das? – Natürlich den Müttern, auch wenn sie es angeblich zum Besten ihrer Kinder tun.
Was würde passieren, wenn ich mich an die Regel hielte? Was, wenn nicht? – Wenn ich nie Nein zu ihr sagen würde, könnte ich mir ein modernes, selbstbestimmtes Leben abschminken. Ich käme nie vom Schürzenzipfel meiner überfürsorglichen Mutter los. Wenn ich ihr künftig das eine oder andere abschlage, wird sie am Anfang konsterniert und enttäuscht sein – aber das kann ich ihr leider nicht ersparen.
Halte ich das für sinnvoll oder nicht? Was soll für mich gelten, damit ich für mein Leben die Verantwortung übernehme und meine Selbstachtung wahre? – Ich werde die Verantwortung übernehmen und im Einzelfall selbst entscheiden, ob ich einer Forderung oder Bitte meiner Mutter Folge leiste oder eine – wenn auch gut gemeinte – Einmischung dulde.
Die meisten der so hinterfragten Regeln, die Sie bisher gebremst haben, fallen wahrscheinlich in sich zusammen wie ein Kartenhaus |131| . Selbstverständlich können Sie auch zu dem Schluss kommen, dass Sie Ihre identifizierte Regel akzeptieren – völlig in Ordnung. Nur wissen Sie in diesem Fall genau, dass Sie sich selbst gegen ein Nein entschieden haben. Die Konsequenzen dafür müssen Sie allerdings in Kauf nehmen. Und ein paar mögliche Ausnahmen sollten Sie sich im Sinne der Flexibilität immer vorbehalten.
Sie akzeptieren fraglos die Erwartungen anderer – seien sie noch so überzogen?
Ihre Mutter erwartet von Ihnen als brave, liebende Tochter, dass Sie spätestens jedes zweite Wochenende zum Essen kommen und sie während der Woche mehrmals anrufen. Tun Sie das nicht, ist sie wahnsinnig enttäuscht und fragt Sie mit weinerlicher Stimme, was sie denn bloß falsch gemacht habe. Sie hingegen meldet sich nie bei Ihnen, sondern geht davon aus, dass Sie von sich aus zum Hörer greifen.
Eine gute Freundin bittet, ja bedrängt Sie, ihr eine stattliche Summe Geld zu leihen, weil sie unbedingt in ein großartiges und lukratives Geschäft einsteigen möchte. Sicherheiten hat sie keine, die Bank hat einen Kredit abgelehnt – Sie sind ihre letzte Hoffnung.
Sie haben einen attraktiven Mann kennen gelernt und gehen bei Ihrer ersten Verabredung mit ihm zum Essen in ein teures französisches Restaurant. Der Herr war charmant und unterhaltsam und hat darauf bestanden, Sie einzuladen. Nun sind Sie in seinem Wagen auf dem Nachhauseweg, und er gibt Ihnen ziemlich deutlich zu verstehen, dass er erwartet, dass Sie unverzüglich mit ihm in das nächste erreichbare Bett hüpfen. Immerhin hat er gerade eine Menge Geld für Sie ausgegeben.
Ist das alles auch Ihre Meinung? Müssen Sie Ihre Mutter tatsächlich nach deren Regeln kontaktieren? Finden Sie wirklich, |132| dass Sie von Ihrem sauer verdienten Geld jemandem etwas leihen müssen, der dieses in windige Projekte stecken will? Müssen Sie dem erotischen Ansinnen eines Mannes stattgeben, der ein Rendezvous ähnlich wie eine Börseninvestition betrachtet und nun eine üppige Rendite für sein gutes Recht hält?
Eben. Natürlich ist bei diesen Beispielen mehr oder weniger klar, dass jemand versucht, Sie auszunutzen. Auch Ihre Mama handelt nicht aus selbstloser Liebe zu Ihnen so, sondern um ihr eigenes übermäßiges Bedürfnis nach Ihrer Gesellschaft und Aufmerksamkeit zu befriedigen.
Erwarten kann man vieles. Das ist in Ordnung. Nur muss man immer damit rechnen, dass nicht alle Erwartungen erfüllt werden. Es bringen ja auch nicht alle Investitionen an der Börse die erwartete Rendite. Ehe also Sie auf Ihre Kosten Ja sagen, wenn Sie eigentlich Nein sagen möchten, fragen Sie sich, ob die Erwartungen angemessen sind. Wollen Sie ihnen wirklich gerecht werden? Machen Sie in solchen Situationen einen »Fitness-Check« der jeweiligen Beziehung und der daraus abgeleiteten Erwartungen. Es gibt nämlich einige grundlegende Kriterien für gute und unterstützende Verbindungen zwischen erwachsenen Menschen.
Schritt 1 In welcher Beziehung stehen Sie zu der
Weitere Kostenlose Bücher