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Evgenia Ivanovna

Evgenia Ivanovna

Titel: Evgenia Ivanovna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonid Leonow
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silber- und niellodurchwirkt, die von Beka Opisari selbst gelobt sein sollen, und den Traum jedes Reitermannes – musivische Chagrinschuhe mit vergoldetem Absatz, die förmlich nach dem Fuß der Liebsten schrien. Diese am Boden hingestreuten Schätze lockten um so mehr in der Abenddämmerung.
    »Ach du liebe Zeit, wo hat's bloß unsern langen Mister hingeweht?« rief Stratonow fortwährend in jugendlichem Falsett; er wurde immer kühner in dem sicheren Empfinden, daß der Heidenwirbel ringsum auch Evgenia Ivanovna schon erfaßt hatte. »Geben Sie mir Ihren Arm, ich helfe Ihnen ans Ufer … Der Satan hat mich vorhin zu diesem alten Pavillon getrieben, ich war früher nie dort! Übrigens, ich wollte Sie schon lange fragen und vergesse es immer – wo ist Mr. Pickering dieses Malheur eigentlich passiert, war's in Kairo oder Bombay?«
    »Welches Malheur?« antwortete Evgenia Ivanovna, den Strom überschreiend, eine Spur freundlicher, als es nötig gewesen wäre.
    »Na, Sie wissen doch … in Tiflis sprachen Sie davon. Das hätte ja für seine Gehirnübungen üble Folgen haben können.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Hat er nicht eins mit dem Knüppel über den Kopf bekommen bei irgendwelchen Unruhen in den Kolonien?«
    Sein mitfühlender Ton, zumal in solchem Gedränge, täuschte sie, sie verpaßte den Augenblick, diesem Mann, der sich da geschlagen, im Elend am Boden wand, dem man halb verziehen hatte, entgegenzutreten, Bescheid zu sagen, ihn an seinen Platz zu verweisen, und dann war es zu spät, einfach unter ihrer Würde, zu erklären, sich herumzuzanken oder auf jenen Unglücksfall einzugehen, zumal der Engländer zu Kolonialbehörden nie Beziehungen gehabt hatte. Dennoch meinte sie, die Verletzung, fast ein Zufall, habe von einer primitiven Bombe gerührt, die nach einem andern durchs Fenster geworfen wurde. Stratonow gestand sofort zu, Bombe sei freilich für einen Gentleman viel besser als Knüppel, und Evgenia Ivanovna hätte weinen mögen vor Kränkung, Bestürzung und am meisten vor Verzweiflung, daß der Guide in seiner Unverschämtheit so weit ging, an ihr früheres Verhältnis zu erinnern.
    »Das ist ja unwichtig, wofür und weswegen. Sicher hatte er in jugendlichem Übermut etwas angestellt … Ihre Hand. Ihre Hand bitte!« rief Stratonow und zog sie aus der Menge heraus.
    Auf dem Hügel vor ihnen schwang sich der Alawerdyer Georgsdom empor. Und ehe Evgenia Ivanovna noch antworten konnte, überschüttete Stratonow sie mit einer Fülle historischer Kenntnisse; man vergaß sie sofort wieder und verwunderte sich nur, wie sich auf solchem winzigen Erdenflecken soviel hatte ereignen können. Eine Kopfsteinauffahrt mit Abflußrinne in der Mitte führte zu einer Art Festungstor. Die Stöckelabsätze knickten in einem fort um, außerdem fiel ihr soviel Vergangenheit schon auf die Nerven. Sie wäre lieber unten gewesen, im Gewühl der Bauern und Hirten, unter den Tänzern und Barden, den jungen Männern mit Habichtprofil, und den schlangenäugigen Mädchen, die sich im Schein der Holzfeuer, Hand in Hand, im Doppelreigen des Perchuli wiegten. Andächtiges, hallendes Halbdunkel füllte den Dom, und gleichsam aus Ehrfurcht vor der Stille hielt ihr Stratonow seine Lektion geradezu ins Ohr hinein. Sie wußte aber, wieso er es tat, und wagte keine Bewegung, aus Angst, ihn zu berühren. An der Kühle der Wange merkte sie, wie er mit den Nüstern die Luft zwischen ihnen wegsog. Zur Täuschung gestikulierte er dabei erklärend mit den Händen, deutete mit geheuchelter Gelassenheit bald auf eine Steinsäule mit flackernden Kerzen ums Gesims, bald auf eine halbgesäuberte Freske, aus deren webendem Dämmer das Geckenbein eines byzantinischen Bogenschützen hervortrat, oder auf das quälend-ausgezehrte Antlitz, seinem eignen gleich, des Theodor Tiron, welcher sich mit dem Schwert in der Hand über einen Mauerbogen neigte. Der alte grünliche Maserstein durchschimmerte Propheten und Apostel und verlieh ihnen das Aussehen von Gespenstern. Plötzlich bat Evgenia Ivanovna den Guide, ein wenig langsamer zu sprechen – Mr. Pickerings wegen, der sich in diesem Augenblick zu ihnen gesellte: Sie brauchte nicht einmal den Kopf zu drehen, um seiner Anwesenheit sicher zu sein. Noch kauend, achtete der Professor wohl eher auf den Tonfall als auf den Sinn dessen, was der Guide mit gesenkten Lidern erzählte. Evgenia Ivanovna streifte einen Strohhalm von der Wildlederjacke ihres Mannes.
    »An deinem zufriedenen Gesicht sieht man, daß du

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