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Evgenia Ivanovna

Evgenia Ivanovna

Titel: Evgenia Ivanovna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonid Leonow
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dargebotenen Becher bis zur Neige leerte.
    Es ergab sich, daß alles schon für den vergnüglichen Ausflug hergerichtet war. Hinter dem Hauptgebäude knatterte und zitterte auf halbplatten Ballonreifen, das Verdeck herabgeklappt, jenes Vehikel, das die Pickerings vom Grenzsee Hosapini nach Tiflis gebracht hatte. Nachdem Teppiche, Wein und allerhand Mundvorräte eingeladen waren, wurde hinten auf dem Gepäckhalter mittels eines Drahts noch ein kleiner Siedekessel aufgebunden – vorsichtshalber: falls, Gott behüte, dem werten Kopf des Genossen Pickering aufs neue etwas widerfahren sollte. Als der Wagen schon rollte, sprang vorn noch einer auf, der tagsüber bis zum Schatten seiner selbst abgemagerte, gar nicht mehr hörbare Stratonow.
    Das Automobil, das die Behörden den Pickerings für die Dauer ihres georgischen Aufenthalts überlassen hatten, galt dereinst als ein Wunder der Technik und hatte, laut Überlieferung, den Statthalter des Kaukasus höchstselbst befördert. Mit den Jahren und vielleicht auch nach einigen Bruchfahrten talwärts war aus dem fragilen ausländischen Buick ein sturmerprobter einheimischer Bück geworden. Einzusteigen entsetzte Neulinge gewöhnlich, doch gab es erst kein Zurück mehr, eröffneten sich, wie bei jedem tolldreisten Unternehmen, auch die angenehmen Seiten, so durch die Lande zu fahren.
    Auf den durchgesessenen Polstern warteten zwei Weinbauern aus dem benachbarten Teliani. Im purpurn-optimistischen Rundgesicht des einen las man Freude an leiblichen Genüssen, während das asketische Äußere des andern eher von geistigen Neigungen sprach. Wie sie erzählten, würden sie einander wie Maria und Martha ergänzen, um gemäß dem gewichtigen Auftrag der Tifliser Leitung den stolzen Briten kachetische Gastfreundschaft zu zeigen. Ihrer gemessenen Haltung wegen hielt sie Mr. Pickering zuerst für hiesige Minister, was ihrem Umgang ein wenig Zwang antat, doch ihre wunderlichen Reiseabenteuer brachten alle mit jedem Kilometer einander näher. Gleichmäßig sausten sie in die Höhe über Weglöchern, schaukelten einträchtig nach vorn bei jähen Senken oder umgekehrt, sanken behaglich, unter bedrohlichem Quietschen, in die Lederpolster bei plötzlichen Steigungen. Und zur Abwechslung krachte bald das Schaltgetriebe wie gebrochen, bald kochte der Kühler, und der Holzpfropf samt Werg schoß in die Höhe wie vor Champagner, worauf der Fahrer von neuem mit solcher Bravour durch die Kurven fegte, daß einem für Augenblicke Hören und Sehen verging und sämtliche Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Mit solchen kleinen Kunststückchen versuchte der Bursche am Steuer den Fremden Respekt beizubringen vor seinem Gewerbe.
    Zu des Engländers Freude zeigte sich, daß die beiden Telianer einfache Weinbauern waren, dazu so großartige Kerle, witzig, selbstbewußt und geradezu, Kachetier ohne alle Pose, daß man den Ärger von vorher unwillkürlich vergaß. Schon nach halbem Wege brüllte der Dicke, um den Höllenspektakel des Buicks zu übertönen, Stratonow ins Ohr: »Übersetz ihm das, Genosse, damit er im Bilde ist. Das ganze Tal, hundertfünfzig Werst weit steht Wein, nichts als Wein. Halb Wein, halb Feuer fließt in den Adern Kachetiens. Napareuli – kennt er wohl von den Flaschen her – liegt dort links hinterm Fluß, wo der Esel trottet. Gurdshaani, Kardanachi – nie gehört? – befinden sich dort hinten, am weißen Torbogen vorbei, hinter den Zypressen. Durch ganz Alasan reist man bei Gläserklang. Gelüstet ihn nach einem Schluck, mag er nur geradewegs an mich schreiben: Adresse Erdenrund, Georgien, Kreis Signachi. Genügt völlig. Geradewegs an meine Person. Wir schicken vom allerbesten, den wir selber auf Hochzeiten trinken. Nur los, übersetze ihm meinen Film, Kazo.«
    Der dolmetschte aufgeregt, machte Zusätze und verhörte sich absichtlich, um Evgenia Ivanovnas Hilfe in Anspruch zu nehmen. Er saß mit dem Rücken zu ihr und hielt einen gebundenen Hammel auf den Knien, dennoch wurde sie das Gefühl nicht los, als starre er sie die ganze Zeit demütig-flehentlich an.
    Schon wehte es von der Alasan feucht herüber, und die Wege mehrten sich und kerbten die Gegend in allen Richtungen. Sie mündeten in eine flußbettähnliche, von Wagenspuren zernarbte Straße ein, die ins lila Berggeklüft führte. Immer öfter überholte man Reiter, bisweilen zu zweit im Sattel, oder Ochsenkarren mit Familien vollgeladen. Der Bauer schritt neben dem Rad her, auf dem Bock schaukelten die alten Leutchen,

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