Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
im obersten Stockwerk hielt er an und schob den Rolladen hoch. Der dahinterliegende Raum wurde schwach durch rötliches UV-Licht erhellt. Evianna warf einen Blick hinein. „Scheiße. Was ist das denn?“
Vor ihr lag ein Saal voller gläserner Regale. In den Regalen befanden sich Reihe um Reihe Glasbehälter mit einer rötlichen Flüssigkeit, in der menschliche Föten in unterschiedlichen Entwicklungsstadien schwammen. Schläuche führten in die Gläser hinein und andere wieder hinaus.
Shaytan kratzte an der Scheibe, die daraufhin in millionen Einzelteile zersplitterte. Er wartete einige Minuten doch anscheinend hatte niemand etwas bemerkt. Damit hatte er auch nicht gerechnet, denn hier oben gab es keine Wachen. Warum auch? Es war ja niemand hier, der weglaufen konnte. Shaytan half Evianna durch das Fenster. „Beeil dich. Ich werde nicht lange hierbleiben können.“ Mit einer Klaue zerstörte er mehrere UV-Lampen und stellte sich in eine dunkle Ecke. Das Licht war zwar künstlich, aber es würde ihm trotzdem nicht gut bekommen, sich ihm zu lange auszusetzen.
Evianna stellte fest, dass sich der Inhalt der Gläser bewegte. „Sie leben!“ „Ja. Und sie wachsen sehr schnell. Lies mal die Aufschrift auf einem der Gläser und dann guck dir an, was drinnen schwimmt.“
Evianna blieb vor einem der Gläser stehen. Laut Aufschrift war der Inhalt vier Tage alt. Im Glas befand sich jedoch ein Embryo etwa im Stadium des vierten Monats. Es war ein Junge. Wie war das möglich?
„Nimm einen als Beweis und dann lass‘ uns hier abhauen.“
Evianna betrachtete die Schläuche im Glas.„Was passiert mit ihm, wenn ich ihn mitnehme?“
„Woher soll ich das wissen?“
„Wird er sterben?“
„Vermutlich.“ Aber was spielte das schon für eine Rolle? „Einer für alle. Jetzt mach‘ schon.“
„Nein.“ Evianna sah sich suchend um. „Hier gibt es bestimmt noch etwas anderes, das einen Durchsuchungsbeschluss rechtfertigt.“ Auf fahrbaren Tischchen entdeckte sie jede Menge gruseliges Werkzeug oder Besteck. Sie wusste nicht wie man die stählernen Dinge nannte. Als Beweis würden sie ohnehin nicht taugen. „Evianna, bitte. Ich muss hier raus“, drängte Shaytan stöhnend.
„Also gut. Dann geh‘ und warte draussen.“
Shaytan ging steif zum Fenster. Er wollte gerade springen, hielt jedoch inne und spähte in die Dunkelheit. „Ich würde sagen, da fährt dein Beweis.“
Evianna lief zum Fenster und sah hinaus. Ein schwarzer Desco-Lieferwagen fuhr die Auffahrt hinunter und verließ das Anwesen durch das Tor.
„Meinst du, er hat Nachschub gebracht?“
„Nein. Nicht um diese Uhrzeit. Ich glaube, er entsorgt den Abfall, um die BVb auf eine falsche Fährte zu führen.“
„Was? Wie meinst du das?“
„Komm‘! Ich zeige es dir.“ Shaytan stieg aus dem Fenster und saß lässig an der Hauswand.
Unschlüssig stand Evianna auf dem Fenstersims. „Und jetzt?“
„Soll ich dich tragen oder reitest du lieber?“ Shaytan grinste.
„Ich glaub‘ ich bin lieber oben.“
„Okay“, sagte Shaytan und stieß sich von der Hauswand ab. Er spreizte seine Flügel und glitt lautlos durch die Nacht.„Spring!“, rief er ihr zu.
„Was?“ Evianna sah nach unten. Der Boden war ungefähr fünfzehn Meter entfernt. „Wohin denn?“
„Egal. Ich fang‘ dich.“
Evianna atmete tief ein und aus. Dann sprang sie und fand sich gleich darauf auf Shaytans Rücken wieder. Unbemerkt nahmen sie die Verfolgung des Lieferwagens auf. Er fuhr in das kleine Waldstück, zu einer Stelle, an dem man schon einen der toten Menschen gefunden hatte. Am Ende eines Waldwegs hielt der Wagen. Shaytan landete ein Stück entfernt zwischen den Bäumen. Wie aus dem Nichts tauchten Dragor, Pan’C und Satyr auf, zwar in ihrer menschlichen Gestalt, trotzdem erschreckten sie Evianna damit heftig.
„Bleibt bei ihr“, sagte Shaytan, den das Erscheinen der anderen Gargoyles nicht überraschte. „Ich habe noch etwas zu erledigen.“
„Jetzt?“, fragte Evianna verwundert. „Was denn?“
Statt einer Antwort hob Shaytan ab und war gleich darauf verschwunden. „Seid ihr schon lange da?“, fragte Evianna die anderen drei.
„Logisch“, sagte Satyr „oder glaubst du wir lassen dich mit ihmallein?“ Fahrer- und Beifahrertür des Lieferwagens wurden geöffnet. Heraus kamen zwei bewaffnete Männer. Sie gingen zum Heck des Wagens und öffneten die Tür. Heraus kam ein nackter Mann, schlotternd vor Angst. Seine Hände waren gefesselt. Die Waffen der Männer waren auf ihn
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