Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
sie von den Füßen riss. Eine unsichtbare Kraft zog an ihr und wirbelte sie herum, so als wäre sie in einen Strudel geraten. Sie versuchte, sich an Shak zu klammern doch es gab weder Halt noch Orientierung. Genauso so plötzlich wie das Ganze begonnen hatte, war es auch zu Ende. Evianna fand sich auf dem Boden ihres Beschwörungszimmers inmitten des gemeißelten Kreuzes wieder. Sie lag auf dem Bauch und unter ihr der Dämon. „Das nenne ich Punktlandung“, grinste Shak.
Evianna hob den Kopf und sah sich suchend um. Alles drehte sich. „Ist mir schlecht.“ „Das gibt sich gleich.“ Trotzdem beeilte Shak sich, sie von sich herunter zu schieben. „Aber immerhin lebst du.“
Evianna setzte sich auf und tastete nach ihrer Halsfessel. Sie war verschwunden. „Das meine ich nicht“, sagte Shak.
„Du meinst, ich hätte sterben können?“
„Das soll schon vorgekommen sein.“
„Nett von dir, dass du mir das erst jetzt erzählst.“
„Nur bei Menschen.“
Evianna sah Shak strafend an. Jetzt erinnerte sie dieser dämliche Dämon auch noch daran, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach kein Mensch war. Schwankend stellte sie sich auf die Beine. „Du gehst jetzt besser. Sobald sie merken, dass ich weg bin, werden sie hier zuerst nach mir suchen.“
„Und was wirst du tun?“
„Menschenleben retten.“ Wenn das noch möglich war.
Shak nickte. „Und was ist mit deinem eigenen Leben?“
Gute Frage. Darüber würde sie später nachdenken. Die Zeit lief ihr davon. „Geh! Du bist frei.“ Zumindest solange er nichts Dummes anstellte. Sie hielt Shak für schlau genug das zu wissen und verzichtete darauf, es auszusprechen.
„Ich habe noch etwas für dich.“ Shak streckte die Hand aus und wie aus dem Nichts erschien eine Pfeilspitze, die sich ein Stück über seiner Hand um die eigene Achse drehte.
Evianna hob die Hand und griff nach der Pfeilspitze. Seltsame Schriftzeichen zierten den Stahl.
„Ich habe sie hier in diesem Raumgefunden. Sie war für dich gedacht“, sagte Shak. Evianna erkannte die Pfeilspitze und wusste um ihre Bestimmung. „Ich danke dir“, sagte sie mit einem schwachen Lächeln.
Auch Shak lächelte. Dann löste sich der Dämon vor ihren Augen in Luft auf.
Evianna trat aus dem Beschwörungszimmer und ging hinüber in ihr Schlafzimmer. Zuerst musste sie aus diesen Klamotten raus. Eilig zog sie sich um. Im Türrahmen erschien Engus. „Evianna!“, rief er erstaunt. „Du bist zurück.“
Evianna hatte nicht viel Zeit für Erklärungen.„Ja, aber ich fürchte, ich kann nicht lange bleiben.“ Sie zog sich ein Shirt über den Kopf.
„Wieso nicht?“
„Ich bin abgehauen und es ist nur eine Frage der Zeit, wannsie auftauchen werden.“ Evianna schlüpfte in eine Hose. Dann durchwühlte sie die unterste Schublade ihrer Kommode und förderte eine Waffe zutage. Es war ein älteres Model aber durchaus noch brauchbar. Sie steckte sie ein und holte eine weitere kleinere Waffe hervor. „Du bist aus dem Knast getürmt?“ Engus Stimme wurde hysterisch.
Für Erklärungen war jetzt keine Zeit. „Wo sind die Tafeln, Engus?“
„Die Tafeln?“
„Ja. Die Tafeln, die du verstecken solltest. Wo sind sie?“
„Unten.“
Evianna schob den Pukzur Tür. „Zeig sie mir. Los.“
So schnell er konnte, hüpfte der Puk die Treppen hinunter, dicht gefolgt von Evianna. Vor einem der Küchenschränke blieb er stehen. Er zog die Tür auf und deutete auf einen Berg Geschirrhandtücher. Evianna bückte sich und nahm die Tafeln, die Engus in die Tücher gewickelt hatte, heraus.
„Du verschwindest am besten von hier, zumindest für eine Weile. Denn wenn sie dich hier finden, werden sie dich mitnehmen und verhören.“
„Mich mitnehmen?“ Raus aus dem Haus? Niemals.
Evianna drückte ihm die kleine Waffe in die Hand. „Die ist für dich.“
„Du meinst, ich soll sie erschießen wenn sie kommen?“
„Nein, natürlich nicht. Sie ist zu deinem Schutz, für die Zeit, in der ich nicht da sein werde.“
Engus beschlich ein merkwürdiges Gefühl.
„Geh‘ und versteck dich bei Paddy. Oder ruf‘ Siri an. Sie wird dich abholen. Versprich es mir. Hörst du?“
Engus nickte.
„Gut.“ Evianna schob die Tafeln in eine Tasche. Sie ging zum Fenster und spähte vorsichtig hinaus in die Nacht. Draussen war es stockfinster und es war niemand zu sehen. Evianna ging zur Tür.„Mach’s gut, Engus.“
Traurig betrachtete Engus die Waffe in seiner Hand. „Du kommst nicht wieder, habe ich Recht?“
Evianna drehte sich zu ihm um. Seine
Weitere Kostenlose Bücher