Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
Reaktion sondern nahm seine Wanderung durch die Zelle wieder auf.
Also, wenn das wirklich Keir war, hatte sein Werwolf-Ich keinerlei Wirkung auf Evianna. Zumindest spürte sie keine Furcht, und das obwohl auch ein Werwolf einen Menschen mühelos töten und auch fressen konnte. Aber das Wissen darum war eine Sache, das Zusehen dabei war etwas ganz anderes. Ja, das musste es gewesen sein. Sie hatte Satyr überrascht, als er etwas, das ihrer Spezies sehr ähnlich war, verspeiste. Und das war es, was Evianna erschreckt hatte. Es war ein befremdlicher Anblick gewesen.
Der Lärm aus den umliegenden Zellen schien langsam weniger zu werden. Hinter einem der vergitterten Fenster schimmerte schwach der erste blaue Streifen der Morgendämmerung am Himmel. Der bevorstehende Sonnenaufgang würde bei allen Insassen die Wandlung in einen Menschen auslösen.
Interessiert beobachtete Evianna, wie auch der goldbraune Wolf ruhiger wurde und sich schließlich in einer Ecke der kargen Zelle zusammenrollte.
Als die Sonne hinter dem Horizont hervorkam, vernahm Evianna schmerzerfülltes Stöhnen hinter den Zellentüren. Und auch Keir gab ein leises Winseln von sich als sein Körper von heftigen Krämpfen geschüttelt wurde. Unfähig den Blick abzuwenden, beobachtete Evianna, wie sich das dichte Fell in nackte menschliche Haut zurückzog. Die Schultern des Wolfs spannten sich und dehnten sich rasend schnell aus. Der gesamte Körper des Wolfs schien platzen zu wollen. Aus Klauen wurden Finger, aus den Läufen wurden kräftige Arme und Beine.
Zwei Wärter schoben einen Rollwagen in den Flur und verteilten ordentlich gefaltete Kleidungsstapel vor den Zellentüren. Hier und da wurde eine Hand durch die Gitterstäbe gestreckt und die Kleidung hineingezogen.
Evianna stand auf und ließ die Wärter mit dem Wagen vorbei.
Keir lag auf dem Rücken und atmete schwer. Sein Körper war von einem dünnen Schweißfilm bedeckt. Der Bauch war eingefallen und die Haut zwischen den Rippen eingesunken. Jeder einzelne Knochen in seinem Körper tat höllisch weh, aber er hatte es geschafft. Er hatte auch diesen Vollmond überstanden. Schwerfällig kam er auf die Füße, schleppte sich zur Tür und tastete nach seiner Kleidung. Da erst bemerkte er Evianna, die vor der Tür stand und ihn ansah.
Keir fluchte. Er schnappte sich seine Kleidung und zog sich hastig an, wobei er es vorzog, ihr den Rücken zuzudrehen. Ordentlich bekleidet, drehte er sich zu ihr um. Er räusperte sich verlegen. „Wie lange bist du schon hier?“
„Eine Weile.“
Keir nickte und starrte die Wand an, so als gäbe es dort etwas wirklich Spannendes zu sehen. „Warum hast du nicht draußen gewartet?“ In seinem Tonfall lag ungewohnte Schärfe.
„Das mit dem besser kennenlernen war deine Idee“, sagte Evianna unbekümmert. „Mit besser kennenlernen habe ich nicht diesen Teil von mir gemeint“, sagte Keir kalt. „Entweder ganz oder gar nicht.Bist du jetzt sauer, oder was?“, fragte Evianna. „Ich? Sauer? Wie kommst du denn darauf?“, schnaubte Keir. Er trat an die Tür und umklammerte die Gitterstäbe. „Ich finde es toll, wenn meine Kollegin sich während der Vollmondnächte einem Haufen Werwölfe aussetzt. Weißt du eigentlich, wie gefährlich das ist?“
„Ach das meinst du.“ Evianna grinste. „Und ich dachte schon, es wäre, weil ich dich nackt gesehen habe. Netter Pelz übrigens.“
Dass sie ihn nackt gesehen hatte, störte Keir nicht. Im Gegenteil. Er war sogar irgendwie froh darüber, dass sie hier aufgetaucht war. Bisher hatte noch nie eine Frau den Wunsch verspürt, ihn in gewandelter Gestalt zu sehen. Trotzdem: es war unvernünftig und gefährlich.
Ein lauter Summton dröhnte aus den Lautsprechern an der Decke und im nächsten Moment gingen alle Türen gleichzeitig auf. Erschrocken fuhr Evianna herum und machte einen Schritt rückwärts als alle Zellenbewohner in den Flur traten. Dabei prallte sie mit Keir zusammen, der ihr eine Hand auf die Schulter legte. „Keine Angst. Jetzt sind sie harmlos“, sagte er.
„Ich habe keine Angst“, protestierte Evianna. „Und jetzt komm’ und lass’ uns endlich von hier verschwinden.“
Dies Satvrni a.d.VII Ianuarius, im Jahre V nach dem Polsprung
Keirs erster Weg nach dem Zwinger führte in einen nahe gelegenen Imbiss. Dort bestellte er ein Frühstück, bestehend aus gebratenem Speck, Würstchen, Eiern und Pfannkuchen, das normalerweise für drei Personen gereicht hätte. Neben ihm lag sein PPC, der ihn weitestgehend auf den
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