Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
raus“, sagte er mit seltsam hoher Stimme. Er stolperte zur Tür. Mit zittrigen Fingern versuchte er unbeholfen sie zu öffnen. Es dauerte einen Moment bis es ihm gelang. Dann war er verschwunden. Zusammengekauert hockte er in dem erstbesten Versteck, das er hatte finden können. Es war die Abstellkammer. Reglos saß er da und starrte eine der Ecken an. Was hatte er da bloß für eine Scheiße gebaut? Er wollte Evianna, ja. Aber nicht so. Er stand noch unter Strom von den vergangenen sechzig Stunden und sein Inneres lag blank. Das ganze ging ihm einfach viel zu schnell. Er hatte sie einschüchtern wollen, damit sie ihn vorerst in Ruhe ließ. Doch sie hatte ihn begehrt. Damit hatte er nicht gerechnet. Sie zu berühren hatte ihn beinahe die Kontrolle verlieren lassen und das durfte nicht passieren. Er erinnerte sich daran, was mit den letzten beiden Frauen passiert war, die einfach nur von ihm flachgelegt werden wollten ohne ihn vorher besser zu kennen. Keiner von ihnen war das sonderlich gut bekommen und ihm selbst auch nicht. Fast hätte ihn das sogar seine Dienstmarke gekostet. Keirs Gedanken wanderten zurück zu Evianna, daran wie sie sich angefühlt hatte. So warm, so weich. So ein Mist!
Evianna zog dir Tür ins Schloss, stieg in den Wagen und fuhr los. Als sie die Auffahrt verließ und auf die Straße einbog, kam ihr ein großer Geländewagen entgegen. Juno Alexander saß am Steuer und hielt geradewegs auf Keirs Haus zu. Schlagartig wurde Evianna klar, für wen die offene Haustür gedacht gewesen war. Keir hatte auf Juno gewartet. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Sie hatte die beiden zusammen im Dr. Doo’s gesehen. Es hätte ihr klar sein müssen, dass da was lief.
„Keir? Bist du da?“ Erneut klopfte Juno an Keirs T ür. Drinnen raschelte etwas, dann öffnete Keir. Mit einem Blick der eindeutig nach na endlich aussah, schob Juno sich an ihm vorbei ins Haus. „Ich habe mich verspätet. Ich hatte noch einen geschäftlichen Termin. Aber als ich im Zwinger ankam, sagte man mir, du wärst schon weg.“
Keir schloss die Tür und ging in die Küche. Er öffnete den Kühlschrank und nahm eine Flasche Wasser heraus. Er schraubte sie auf und trank direkt aus der Flasche. Juno erschien im Türrahmen. „Wer dich heimgefahren hat, muss ich wohl nicht fragen. Ich bin deiner neuen Kollegin eben inder Auffahrt begegnet.“ „Ich wusste nicht, dass sie mich abholt. Es war nicht ausgemacht.“ Keir stellte die angebrochene Flasche zurück in den Kühlschrank. „Gib mir eine Minute und es kann losgehen.“ Er schob Juno beiseite. Im Flur schnappte er sich eine Sporttasche und warf ein paar Sachen hinein.
Juno lief hinter ihm her bis ihr ein Geruch entgegenwehte, den sie kannte. Sie blieb stehen und atmete tief ein. „Sie ist hier drinnen gewesen. Und ihr habt es miteinander getrieben.“
Auch das noch. Das hatte Keir gerade noch gefehlt. Auf gar keinen Fall würde er über das gerade Vorgefallene mit Juno sprechen. „Unsinn. Sie ist eine Kollegin, nichts weiter.“ Keir schnappte ein paar lange, dornenbesetzte Lederbänder, warf sie in die Tasche und schloss sie.
„Wie istnoch gleich ihr Name?“
„Ihr Name ist Evianna Ebel. Können wir dann gehen?“ Fragend hielt er die Tasche hoch.
„Bitte.“
Sie verließen das Haus und stiegen in ihren Wagen. Juno fuhr los in Richtung Collisseum, wie die alten Rheinpark- und Messehallen genannt wurden. Während des Polsprungs waren sie zum Teil eingestürzt und die Ruinen sowie die darunter liegenden U-Bahn-Tunnel beherbergten seitdem die Vergnügungsmeile der nicht menschlichen Bevölkerung. Es war eine Art antiker Jahrmarkt mit großem Unterhaltungsangebot. Unter anderem fanden dort Kämpfe statt, auf diegern‘ gewettet und manchmal riesige Summen gewonnen wurden. Aber auch die Teilnahme an so einem Kampf war ein lukratives Geschäft. Vorausgesetzt man überlebte ohne bleibende Folgeschäden.
Und nach genau so einem Kampf stand Keir der Sinn. Die Kämpfe waren legal, die Teilnahme freiwillig und eigenverantwortlich. Keine Behörde kümmerte sich darum, auch nicht wenn jemand dabei zu Tode kam. Sie boten eine gute Möglichkeit um runterzukommen, das überschüssige Adrenalin abzubauen, den Kopf wieder frei zu bekommen, besonders nach den Vollmondnächten. Und heute auch noch aus einem anderen Grund, dachte Keir.
„Keir, ich rede mit dir!“, fauchte Juno. Sie parkte den Wagen vor einem der Eingänge. „Entschuldige.“ Keir wandte ihr den Kopf zu.
„Deine Gedanken
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