Evies Garten (German Edition)
Stoff auf.
Evie hielt sich Adams Zeichen an die Brust und ging auf die Statue zu. Der Engel war vornehm und beeindruckend; den Blick für immer auf den Horizont gerichtet, bewachte er die Kinder, die unter seinem Schutz standen. Aber nur eines dieser Kinder konnte bleiben.
»Falls du Verstecken spielst«, sagte Evie, »bist du nicht besonders gut. Ich kann deine Hose sehen.«
Sie wartete einen Augenblick. Schließlich lugte Adams Kopf hinter der Statue hervor.
»Was willst du hier?«, fragte er verärgert. »Ich dachte, du bist nach Hause gegangen.«
Evie lehnte sich an einen Grabstein. »Das bin ich auch«, sagte sie und ging in die Hocke, »aber ich musste noch mal zurückkommen. Ich weiß jetzt, dass du in Wahrheit Adam bist, und ich will nicht, dass du hierbleibst.«
Er runzelte die Stirn. »Wie bist du denn zurückgekommen? Hast du nicht gesagt, dass der Baum eingehen würde?«
»Ist er auch«, sagte Evie, »aber ich habe noch ein Saatkorn gefunden. Vater und Maggie haben mir bei der Suche geholfen.«
»Du hast es ihnen erzählt?«
Sie nickte. »Ja. Ich hab ihnen alles erzählt.«
»Und, haben sie dir geglaubt?«
»Ja, haben sie.«
Evie zögerte einen Moment. »Weißt du, deine Eltern suchen dich. Die Polizeibeamtin hat gesagt, dass deine Mutter die ganze Zeit betet, damit du wieder nach Hause kommst. Und dein Vater hat die ganze Nacht dauernd bei uns angerufen, als die Suchleute da waren.«
»Die Polizei sucht mich?«
»Die ganze Stadt sucht dich, Adam. Keiner ist sauer auf dich. Alle wollen nur, dass du wieder nach Hause kommst.«
Adam duckte sich wieder unter das Gewand des Engels und lehnte sich an die Beine der Statue. »Aber ich gehe nicht zurück«, sagte er trotzig. »Es gibt keine Umkehr für Alex den Großen.«
»Was ist mit Adam dem Großen?«
»Es gibt keinen Adam den Großen«, sagte Adam trotzig. »Den hat es nie gegeben. Nie.«
Evie zog eine Augenbraue hoch, wie Mom es getan hätte.
»Doch, es gibt ihn! Ich bin ihm selbst begegnet. Der konnte auf Grabsteinen balancieren, sogar auf den dünnen, glitschigen, und er konnte viel schneller rennen als ich, und er konnte Geschichten erzählen, die so gut waren, dass ich jedes Wort geglaubt habe, auch wenn ich gesagt habe, dass ich es nicht glauben würde.«
Adam schwieg.
»Du glaubst, keiner würde dich vermissen«, sagte Evie, »aber das stimmt nicht.« Sie streckte ihm das hölzerne Herz hin. »Das hab ich neben dem Grabstein deines Bruders gefunden. Vielleicht hat es ja jemand als Zeichen für dich dort hinterlassen.«
»Glaubst du echt?«
Sie nickte. »Ja. Vielleicht braucht jemand deine Superkräfte.«
»Weißt du, eigentlich habe ich gar keine, Evie. Alex war derjenige, der alles konnte.«
Evie blies sich die Ponyfransen aus der Stirn. »Mom konnte auch alles, und ich vermisse sie jeden Tag mindestens tausendmal.«
»Deswegen sollten wir sie wieder ins Leben zurückholen, wie ich dir gesagt habe …«, begann Adam.
»Aber du hast es doch versucht, oder? Und dein Bruder ist immer noch nicht zurück.«
Es dauerte eine kleine Weile, aber dann kam Adam hinter dem Engel hervor. Er wirkte müde und niedergeschlagen.
»Ich weiß«, gab er zu. »Einmal war er mir so nahe, dass ich ihn fast berühren konnte, aber dann ist er gleich wieder verschwunden.«
»Man kann nicht immer mit dem Kopf durch die Wand!«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Adam beharrlich. »Vielleicht klappt es ja, wenn wir es gemeinsam versuchen …«
Evie schüttelte den Kopf. »Ich hab versucht, meine Mutter zurückzuholen«, gab sie zu. »Kurz bevor der Baum vergangen ist, habe ich sie für einen Augenblick gesehen. Sie war so wirklich … aber sie wollte, dass ich nach Hause zu Vater gehe.«
»Hat sie das gesagt?«
»Nein, aber sie hat mir den Apfel gegeben, damit ich nach Hause gehen konnte, bevor es zu spät war. Ich wette, dein Bruder hätte dasselbe für dich getan.«
Adam legte den Kopf auf die Knie.
»Ohne Alex gehe ich nicht zurück«, flüsterte er.
»Glaubst du wirklich, Alex will, dass du hierbleibst?«, gab sie zurück. »Er schien cool zu sein. Vielleicht ein bisschen nervig, aber …«
Adam lächelte leicht. »Er war cool«, sagte er. »Alex hat alles mitgemacht. Er hatte vor nichts Angst, er hat mich immer zum Lachen gebracht, selbst wenn wir uns gestritten haben, und er konnte die besten Geschichten erzählen.«
»So gut wie unsere Geschichte?«
Adam nickte.
Im Schutz der Grabsteine saßen sie eine ganze Weile still
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